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Meter 56: Der Magdeburger Dom und seine große Schwester

Von Michael Ronshausen

Erzählungen aus der gotischen Kathedrale

Der Kölner Dom, die große Schwester im Westen. Lithografie, um 1900.

Ist man nicht im Schatten des Magdeburger Doms aufgewachsen und wird nach der bekanntesten deutschen Kirche gefragt, lautet die Antwort fast immer: der Kölner Dom. Seit seiner Fertigstellung vor 143 Jahren gilt das riesige Gotteshaus am Rhein als das vollendete Beispiel für die französisch-gotische Kathedralarchitektur. Selbst im Erfinderland der Gotik (der Name entstand erst im 19. Jahrhundert und war anfangs abwertend zu verstehen) existiert kein Großkirchenbau, der es mit dem Kölner Dom aufnehmen kann. Sogar das Musterbeispiel der französischen Kathedralen – Notre Dame de Paris – schließt sich da nicht aus, immerhin fehlen dem mittelalterlichen Wunderbau bis heute die oberen Etagen der Westtürme.
Noch schlimmer wäre es beinahe auch dem Kölner Dom ergangen. Ohne Zweifel wusste man in Köln bereits bei Baubeginn 1248 genau, was man wollte. Eine Kirche, die jedem Betrachter und Besucher den Verstand verwirrte und die jedes vorstellbare Maß in alle Richtungen überschritt. Und tatsächlich gelang es den Rheinländern innerhalb von etwas mehr als 250 Jahren, so viel vom neuen und nun gotischen Dom zu errichten, um damit deutlich zu machen, welch einmaliges Gebäude erschaffen wird. Doch als Anfang des 16. Jahrhunderts das Feuer der Begeisterung für den Dombau erlosch, fehlte immer noch etwa die Hälfte des Bauwerks – und zwar wenige Jahre nach dem Moment, in dem der Magdeburger Dombau tatsächlich vollendet worden war. Die beiden Kathedralen – eine fertig, die andere halbfertig – gingen nun rund 300 Jahre lang einen gemeinsamen Weg. Und zwar den des langsamen Verfalls.


Anfang des 19. Jahrhunderts befanden sich sowohl der Kölner wie auch der Magdeburger Dom in einem beinahe ruinösen Zustand. Und in beiden Fällen wurde erwogen, diese antiquierten Schandflecke zu beseitigen und durch moderne Gotteshäuser zu ersetzen. Dass es dazu nicht kam, ist weniger dem halben Kölner Dom, sondern eher der Magdeburger Kathedrale zu verdanken. Auch „unser“ Dom stand kurze Zeit auf der Abschussliste. Hier war es Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. (reg. von 1797 bis 1840), der den Dom zwischen 1826 und 1834 einmal komplett durchsanieren ließ und ihn damit wieder zukunftstauglich machte. Bis heute zeigt der Dom auch in seinem Äußeren viele Details der damaligen Reparaturarbeiten. Erheblich unerfreulicher sah es zu diesem Zeitpunkt am Rhein aus.


Zwar waren auch die Rheinlande und Köln inzwischen preußisch geworden und der halbfertige Dom beherrschte das Stadtbild, trotzdem stand seine Existenz zeitweise zur Debatte. Es gab allerdings inzwischen auch laute Stimmen, die sich für den Weiterbau der Kirche aussprachen. Und spätestens seit 1834 gab es schließlich in Magdeburg das ansehnliche Beispiel einer vollständigen, nutzbaren und vor allem intakten gotischen Kathedrale. Und so war es erneut Preußenkönig Friedrich Wilhelm (diesmal allerdings der Vierte), der den Kölner Riesenbau 1842 anschob und bis 1880 zur Vollendung führte, was er selbst nicht mehr erlebte. Vor diesem Hintergrund kann man zumindest guten Gewissens davon ausgehen, dass der Magdeburger Dom bei der zweiten, erfolgreichen Initialzündung für den Kölner Dombau eine entscheidende Rolle gespielt hat. Vollendet wurde der rheinische Riese in seinen letzten 20 Baujahren durch Richard Voigtel, der als gebürtiger Magdeburger auch den hiesigen Dom gut gekannt haben müsste.

Seite 12, Kompakt Zeitung Nr. 238

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