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Meter 60: Jesus und die Kirche? Oder Otto und Editha?

Erzählungen aus der gotischen Kathedrale

Von Michael Ronshausen

Der südliche Teil des Bleigangs im Bereich des Langhauses, sowie auf der Westseite des Süd-Querhauses.

Ein wenig klingt die Überschrift wie die Bezeichnung eines Fahrradrennens. Oder vielleicht mutet sie auch wie die Einladung zu einem Spaziergang um die Außenmauern der Kathedrale an. Doch damit hat der Titel nichts zu tun. In einer ungefähren Höhe von 35 Metern gibt es im Dom eine bauliche Besonderheit, die es dem Besucher ermöglicht, das Gotteshaus einmal von außen zu umrunden, ohne dabei den Boden betreten zu müssen. In der Höhe des Dachansatzes sowie um das Westwerk und rund um die Osttürme verläuft der sogenannte Bleigang (manchmal auch als Bleigalerie bezeichnet). Ein Laufgang, der – seinem Namen entsprechend – ursprünglich am Boden mit Blei abgedichtet war und es heute teilweise noch ist. Aus praktischer Sicht hat der Umlauf mit einer Länge von rund 350 Metern eine wichtige Bedeutung, ermöglicht er doch damals wie heute den Bauarbeitern, Handwerkern und Dachdeckern einen bequemen Zugang zu ihren Arbeitsplätzen.

Darüber hinaus diente der Bleigang auch einem anderen, weniger praktischen Zweck. Auf der Nordseite der Kathedrale konnte er durch seine Höhe als Ebene für die Präsentation einzelner Objekte aus dem Domschatz verwendet werden. Besonders bei den auf dem Domplatz (damals der Neue Markt) stattfindenden Veranstaltungen wie den Herrenmessen (mit den „Herren“ war übrigens der Hl. Mauritius mit seinen Gefährten aus der Thebaischen Legion gemeint) wurde mit dem Vorweisen der Heiligtümer ein Gottesdienst unter freiem Himmel zelebriert. Beendet wurde diese Praxis am Magdeburger Dom vermutlich spätestens mit der Einführung der Reformation. Tatsächlich verlor der Dom in dieser Zeit den Großteil seines Reliquienschatzes, darüber hinaus ging zudem das öffentliche Interesse an diesen einstmals anbetungswürdigen Dingen nach und nach verloren. Doch auch in späteren Zeiten diente der Laufgang ähnlichen Zwecken.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war der Dom nicht nur Gemeindekirche, sondern auch Garnisonkirche für die Magdeburger Militärgemeinde. In dieser Funktion bot sich der Domplatz als Appell- und Paradeplatz an. Der Dom wurde bei diesen Gelegenheiten mit Fahnen geschmückt, man schoss von hier aus Salut, und so wurde die Kirche in eine militärisch wirkende Kulisse verwandelt. Zu bestimmten, wenn auch seltenen Gelegenheiten, wird der Bleigang noch heute genutzt. Anlässlich der 800-Jahr-Feier zum Baubeginn 2009 erklang von dort Bläsermusik. Manchmal dient der Bleigang auch als Plakatfläche: In einem großen Transparent machten Domgemeinde und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland 2007 klar, dass christlicher Glaube und Rechtsextremismus nebeneinander keinen Bestand haben können.

Seite 16, Kompakt Zeitung Nr. 243

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