Suche

Tickethotline 0391 79294310

KM_LOGO_rb_100px

Ich spreche Deutsch:
Das Komma – eine unendliche Geschichte

Dieter Mengwasser - Dipl.-Dolmetscher und -Übersetzer

Erste Stimme: „Also ich habe gehört, dass die Sache mit dem Komma nicht mehr so streng gehandhabt wird. Die Regeln sind jetzt viel weicher, da kann ich das Komma setzen, wo ich will.“ Zweite Stimme: „Mit dem Komma, das ist doch überhaupt nicht wichtig. Egal, wo ich das Komma hinsetze, Hauptsache ist doch, dass der Inhalt stimmt!“


Welcher Stimme, liebe Leserinnen und Leser, wollen Sie sich anschließen? Beide oben genannten Stimmen münden darin, dass das Komma keine große Rolle spielt. Man könnte damit sagen, dass es eigentlich überflüssig ist. Brauchen wir es tatsächlich nicht mehr?


Das Komma gehört zu den Zeichen der sogenannten Zeichensetzung. Zeichensetzung wird auch mit dem Fremdwort Interpunktion bezeichnet. Sie gibt es nur in der geschriebenen deutschen Sprache, hat aber ihre Wurzeln in der gesprochenen Sprache. Irgendwie mussten ja, wenn jemand etwas sagte und eventuell eine kleine Rede mit mehreren Gedankengängen hielt, die kleinen Pausen des oder der Redenden in der schriftlichen Wiedergabe des Gesagten kenntlich gemacht werden. Dabei bildete sich sogar eine gewisse Hierarchie in der Zeichensetzung heraus. Das gewichtigste Zeichen ist der Punkt. Er soll einen Satz beenden, und ein Satz sollte einen Gedankengang widerspiegeln. Fachleute für Grammatik streiten sich, was überhaupt ein Satz ist, aber wir gehen hier davon aus, dass eine mündlich vorgebrachte Äußerung mit einer nach unten gehenden Sprachmelodie mit einem Punkt endet.


Sprachmelodie, Satzmelodie und Intonation sind Synonyme. Sie spielen eine Rolle für weitere Satzzeichen, die wie der Punkt einen Satz beenden, nämlich das Fragezeichen (die Satzmelodie geht nach oben: „Hast du ihn gesehen?“) und das Ausrufezeichen (die Satzmelodie ist ziemlich gleichbleibend, sie geht weder nach unten noch nach oben: „Geh‘ mir aus dem Weg!“, „Hier ist es herrlich!“).


Semikolon, Doppelpunkt und Gedankenstrich sind Satzzeichen, die innerhalb eines Satzes vorkommen können. Erwähnt seien noch Klammern in runder und eckiger Form sowie Anführungszeichen zur Kennzeichnung von wörtlicher Rede.


Aber nun das Komma! Wenn wir auf die beiden Stimmen, die gleich zum Anfang dieses Artikels angeführt werden, hören, dann könnten wir wohl auf das Komma überhaupt ganz verzichten. Weg damit, nur unnötiger Ballast, dieses Satzzeichen macht uns nur das Leben schwer!


1901, noch zu Kaisers Zeiten, fand eine Orthographische Konferenz statt, um Grundsätze für die Rechtschreibung der deutschen Sprache festzulegen. Ein Jahr später, 1902, erschien dann ein amtliches Regelwerk, aber das Problem der Kommasetzung war ausgespart. Offenbar war den zu damaliger Zeit damit beschäftigten Herren das Thema Komma zu schwierig. Konrad Duden gab 1903 den als Buchdruckerduden (er sollte verbindlich die einheitliche Schreibweise für den Druck von Büchern vorschreiben) bezeichneten Band heraus, in dem ein Abschnitt dem Thema Komma gewidmet war.


Die Funktionen des Kommas in unserer Sprache sind vielgestaltig und schwer überschaubar. Es hat verbindende und gliedernde, aber auch abgrenzende Funktionen, ja sogar sinnverändernde Funktionen. Hier, in unserem Beitrag, wollen wir versuchen, nur die Funktion des Kommas in längeren Sätzen zu betrachten. Wie weiter oben schon gesagt, gibt es keine eindeutigen und klaren Definitionen darüber, was ein Satz ist. Für unsere Zwecke nehmen wir an, dass ein Satz durch die Wörter gebildet wird, die zwischen zwei Punkten oder beim Anfang eines Textes vor dem ersten Punkt stehen.


Als längeren Satz möchten wir einen solchen Satz verstehen, in dem mehrere Gedankengänge oder Sachverhalte ausgedrückt werden. Zu meiner Schulzeit wurde von Satzverbindungen und Satzgefügen gesprochen. Satzverbindungen waren zwei hintereinanderstehende Hauptsätze, die durch Komma getrennt waren. Das Satzgefüge bestand aus einem Hauptsatz und einem Nebensatz, beides ebenfalls durch ein Komma getrennt. Natürlich handelte es sich bei den in den Lehrbüchern angeführten Beispielsätzen um Sachverhalte und Gedankengänge, die den Schülerinnen und Schülern verständlich waren; sie waren also einfach in Struktur und Inhalt. Es ist sicherlich ein Grundprinzip der Pädagogik, dass in der Wissensvermittlung immer vom Einfachen zum Komplizierten gegangen wird. Was Ihnen heute an Geschriebenem geboten wird, das ist häufig kompliziert wegen der oft komplizierten Thematik, und dies widerspiegelt sich dann in der Sprache, eben in der Gestaltung der Sätze. Dabei scheint mir, dass die Schreiber von Texten sich immer mehr von dem Prinzip leiten lassen, auf das Komma verzichten zu können. Insbesondere ist dies auffällig bei den Satzverbindungen (hintereinanderstehende Hauptsätze). Dabei bewegen sich die Schreiber aber nicht auf Abwegen! Denn in einer Broschüre mit Anleitungen zur neuen Rechtschreibung 2000 steht geschrieben: „Mit und und oder verbundene Hauptsätze müssen nicht mehr durch ein Komma getrennt werden.“ Zu dieser Phrase wird als Beispiel der neuen Schreibung der folgende Vers gebracht: „Der Schnee schmolz dahin und bald ließen sich die ersten Blumen sehen und die Vögel stimmten ihr Lied an.“ Kein Komma, damit also voller Genuss der größeren Freiheit bei den Regeln? Wunderbar, ja, aber Sie, liebe Leserinnen und Leser, sehen sich ja die Artikel in dieser Ausgabe der Kompakt-Zeitung an, und so einfach gestrickte Sätze werden Sie bei den komplizierten Sachverhalten, die beschrieben werden und häufig in Beziehungen zueinanderstehen, nicht finden. Ohne Kommas geht es dabei nicht!


„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie“, lässt Goethe den Mephisto sagen. Dies könnte sich auf das bisher oben, mehr als Thesen, Gesagte zum Komma beziehen, aber in der Praxis sieht es so aus, dass die Funktion der Gliederung, die das Komma in längeren Sätzen spielt oder spielen sollte, immer mehr verlorengeht. Gehen wir von der Theorie zu praktischen Beispielen, entnommen aus veröffentlichten Texten: „Die Vögel vergnügten sich auf dem Balkon, wo ihnen jemand Futter hingestellt hatte und etliches davon flog über die Brüstung hinab zu den Katzen und ins Gras.“ Der erste Teil dieses längeren Satzes ist ein sogenanntes Satzgefüge (Haupt- und Nebensatz), dann folgt ein neuer Gedanke „etliches …“, und dieser neue Gedanke ist hier nicht von dem vorausgehenden Nebensatz „… Futter hingestellt hatte“ durch ein Komma abgetrennt worden. Es herrscht hier keine klare Trennung von Haupt- und Nebensatz. Die Verfasser solcher Texte verzichten auf Kommas und überlassen es den Leserinnen und Lesern, dass diese sich selbst orientieren und feststellen, was wozu gehört. Natürlich geht dieses Orientieren bei geübten Lesern sehr schnell, in Bruchteilen von Sekunden, aber insgesamt gesehen verringert sich die Lesegeschwindigkeit. Weitere Beispiele (an den erforderlichen Stellen setzen wir hier das bisher fehlende Komma in Klammern): „Lutz Trümper erschien wenig mitreißend, eben unnahbar (,) und Polte hatte dann den Rückzug von einer neuen Kandidatur erklärt.“ „Das verlangt den Teilnehmern einiges ab (,) und am Ende sind sie erschöpft, aber zufrieden.“ „Er habe Sorge, seine Haut zu verbrennen (,) und Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor zog nicht als Argument.“ Nun ein Beispiel, das als positives Vorbild dienen kann: „Nach jeder Aufführung stellt sich der Kabarettist der Diskussion mit dem Publikum, und man merkt an Fragen und Beiträgen, dass Pölitz einen Nerv getroffen hat.“


Was Sie, liebe Leserinnen und Leser, gerade gelesen haben, ist der Versuch, einen der Aspekte in der Vielseitigkeit der Kommasetzung kurz zu beleuchten. Kommas bei Aufzählungen, bei nachgestellten näheren Bestimmungen, bei Hervorhebungen u. ä. können einen Schreibenden in Schwierigkeiten bringen. Mehrmals schon war das Komma Gegenstand von Beiträgen in dieser Kolumne, und wir meinen, es bietet auch weiterhin Stoff zu Betrachtungen und Bemerkungen.

Seite 32, Kompakt Zeitung Nr. 244, 7.11.2023

Schlagzeilen

Aktuelle Ausgabe

Edit Template

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.