Suche

Tickethotline 0391 79294310

KM_LOGO_rb_100px

Römers Reich: Arm bleibt arm

Axel Römer

 

Rund 15 Prozent der Menschen in Deutschland gelten als arm. Und dieser Anteil hält sich seit vielen Jahren auf demselben Niveau. Was arm ist, kann aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet werden. Per Definition sind das Betroffene, die in einem Haushalt leben und über weniger als 60 Prozent des Median-einkommens verfügen. Unter Medianeinkommen versteht man das mittlere Einkommen in einer Gesellschaft oder Gruppe, von der aus die Anzahl der Haushalte (bzw. Personen) mit niedrigeren Einkommen gleich groß ist wie die der Haushalte mit höheren Einkommen. Wenn also die Einkommen der Reichen steigen, steigt der Median und bisher als arme oder armutsgefährdet definierte Menschen bleiben in ihrer Klassifizierung. Selbst wenn das Bürgergeld steigt oder gar verdoppelt würde, bleiben per Definition alle weiterhin arm, die es vorher auch schon waren.


Über die vergangenen Jahrzehnte ist in Deutschland die Sozialstaatsquote gestiegen. Mit Sozialstaatsquote wird das Verhältnis zwischen staatlichen Sozialleistungen und dem Bruttoinlandsprodukt ausgedrückt. Im Jahr 2022 lag die Quote bei über 30 Prozent. 1960 wurde der Wert mit 18 Prozent angegeben. Deutschlands Aufwendungen für Sozialleistungen sind also kontinuierlich gestiegen. Allerdings bleibt trotz dieses sozialer gewordenen Staates der Anteil der Armen relativ gleich.


Nun möchte die Grüne Familienministerin Lisa Paus mit einer Kindergrundsicherung vor allem Kindern bzw. Familien finanziell unter die Arme greifen, damit der Anteil von Armut betroffener Kinder – jedes fünfte Kind fällt in diese Kategorie – sinkt. Eine neue Behörde soll’s richten. Ob die am Ende 5.000 Bedienstete oder nur 3.000 neue Verwaltungsmitarbeiter bekommt, sei dahingestellt. Der eintretende Effekt wird sein, dass neue gut dotierte Dienstposten das mittlere Einkommen wieder ein klitzekleines Stück weit nach oben verschieben werden. Wiederum ist dann die Bekämpfung von Armut gleichzeitig der Garant zur Fortexistenz. Oder es gilt der Ausspruch: Hier wird der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben.


Solange wir also reine Mittelwerte als Maßstab an die Armut legen, werden wir den Kampf gegen dieselbe nicht gewinnen können. Übrigens gibt es ein ähnliches Phänomen in der soziologischen Rassenforschung. Hier möchte man den Anteil von Rassismus in der Gesellschaft messen und ihn gleichzeitig zurückdrängen. Allerdings müssen die Soziologen in ihren Befragungen permanent nachfragen, ob jemand einen Migrationshintergrund hat und rassistische Erfahrungen machen musste. Also die Aussage, dass es keine Rassen gibt, ist aufgrund der Nachfrage zu ethischen, kulturellen bzw. Merkmalen wie Hautfarbe oder Augenform etc. immer wieder auf die äußeren Unterschiede abzustellen. In ihrem Forschungsselbstverständnis schwingt also stets eine Rassifizierung mit – so nennt man das heute in der Wissenschaft. Zu vermuten ist, dass die gemessenen Rassismusanteile in der Gesellschaft leider nicht zurückgehen werden, weil die Untersuchung Unterschiede aufrechterhält und damit immer neue Erfahrungsberichte über Rassismus produziert werden.

 

Armes Deutschland! 

 

Nr. 254 vom 23. April 2024, Seite 3

Veranstaltungen im mach|werk

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.