Scharfe Sprüche:
Gegen die Dauererhitzung
Olaf vom Hassel
Leute, inzwischen komme ich mir vor, als würde ich 24 Stunden, sieben Tage lang an der heißen Fritteuse stehen. Es reicht offenbar nicht, dass man als Koch permanent unter hohen Temperaturen arbeiten muss. Die Welt außerhalb meiner Imbissbude ist zum Durchlauferhitzer für brodelnden Schwachsinn geworden. Es scheint, als stünden Millionen Hobbyköche am Herd und rührten ständig aufgewärmte Plörre um. Die Massenküche Internet erscheint wie ein Panikanfall zusammengepferchter Neurotiker. Darunter geben dann ein paar Hundert Psychopathen den Ton an und heizen die gequirlte Suppe weiter an.
Was wir an der aufgeschäumten, geschmacklosen Soße oft nicht so recht sehen wollen, ist einerseits, dass wir uns selbst in die Brühe begeben und andererseits, dass wir alle gemeinsam das Feuer unter dem Topf schüren. Ihr wisst ja, je mehr sich am Zeichensalat mit Botschaften beteiligen und je mehr Leute sich die Nervendroge reinziehen, umso mehr glühen die Bits und Bytes in den Rechenzentren.
Ich wage mal das Orakel, dass die nachwachsenden Nachhaltigkeits-Generationen derart abhängig am Blinki-Blinki-Stoff hängen, dass der Energieverbrauch neue Rekordmarken erklimmt. Insgeheim hoffe ich ein wenig auf die Stromregulierung durch die Netzagentur. Anstatt den Strom für Heizungen zu drosseln, könnte man gut den Saft fürs Internet herunterfahren. Eine bessere Diät gegen die Kalorien des Schwachsinns kann es für den menschlichen Geist gar nicht geben. Die Vernunft könnte sich vorm Dauerfressen schmieriger Nachrichten erholen und der Blick auf das Wesentliche würde sicher vom Geifer fettigen Hirni-Breis befreit.
Ich mache hier niemanden persönlich für das ständige Glotzen auf die kleinen elektronischen Gülle-Apparate einen Vorwurf. Ich hänge ja selbst oft genug an der Kommunikationsnadel. Ich möchte ja nur an Eure Einsicht appellieren, dass wir aus dem täglichen Schwall an Horror nur immer noch mehr Horrorshow machen. Wenn mir mal auf der Herdplatte etwas anbrennt – was Olaf ja nie passiert, ich meine ja nur so – dann wird der Schaden nicht schlimmer, wenn ein Bild oder Video davon millionenfach herumgereicht wird. Angebrannte Kartoffeln bleiben angebrannte Kartoffeln. Ob sich darüber nun Tausende lustig machen oder aufregen. Also, je mehr Glubschaugen auf den Mist, der herumgereicht wird, glotzen, umso größer erscheint ein kleiner stinkender Misthaufen. Die Summe der minimalen Aufregungen macht die Massenhysterie. Und Stresshormone schießen immer öfter in die Blutbahn. Das macht auf Dauer krank. Weiß jedes Doktorchen und ihr eigentlich auch. Lasst uns bei den kleinen Wahrheiten bleiben, z. B. bei Olafs scharfen Currywürstchen. Da kann kein Geistesnebel daraus werden. Einfach reinbeißen und aufessen. Weg ist das heiße, scharfe Ding und anschließend kühlt sich alles wieder ab – der Gaumen und der Geist.
Bis gleich, Euer Olaf vom Hassel.
Seite 6, Kompakt Zeitung Nr. 248, 24. Januar 2024