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„Super Bowl des Handballs“ – brauchen wir den?

Von Rudi Bartlitz

In Köln wird am kommenden Wochenende der deutsche Handball-Pokal vergeben. Der SCM ist dabei. Das zweitägige Event wird jedoch nicht nur von Jubel begleitet. Fan-Zorn über hohe Preise
und „austauschbares Eventpublikum“.

 

Die Fans sind das A und O des Final Four. Jetzt machen sich einige Sorgen um die Ticketpreise beim Kölner Event. Foto: Peter Gercke.

„Köln, Köln, wir fahren nach Köln.“ Wollte der deutsche Handball den populären, vom Fußball abgekupferten (und auf Berlin gemünzten) Spruch fürs eigene Pokalfinale übernehmen – es klänge ziemlich unrhythmisch und spröde obendrein. Deshalb ruft ihn auch kaum einer. Nichtsdestotrotz: Die Finalrunde um den Pokal des Deutschen Handballbundes (DHB) steht am Wochenende unmittelbar vor der Tür. Und zwar eben in Köln. Das sogenannte „Final Four“ der besten vier Mannschaften der Pokalsaison läutet die Wochen der Entscheidungen im nationalen und internationalen Handball ein. Es ist der Beginn einer wahren Titelhatz. Innerhalb von acht Wochen fallen dann für die deutschen Vereine die wichtigsten Entscheidungen des Jahres: Pokal, European League, Meisterschaft, Champions League. In dieser Reihenfolge.


Das Schöne daran: In drei Wettbewerben ist der SC Magdeburg, um es bescheiden zu formulieren, aussichtsreich vertreten. Es ließe sich fast schon mantrahaft herunterbeten: Für die Grün-Roten gilt der alleinige Fokus dem Nächstliegenden, also dem Finalwettbewerb am 13./14. April in der Kölner Lanxess-Arena, mit einer Kapazität von 19.750 Plätzen Deutschlands größter Spielsporthalle. „Wir bereiten uns prinzipiell auf jede Begegnung akribisch vor“, meinte Chefcoach Bennet Wiegert am Sonntag nach dem 40:31-Ligaerfolg über den TVB Stuttgart, „egal, ob es wie jetzt gegen die Füchse oder im Pokal gegen einen Zweitligisten geht.“


Im vergangenen Jahr war es im Finale zu einem echten Drama gekommen, denn der Pokalsieger musste zwischen den Rhein-Neckar Löwen und dem SC Magdeburg über das Siebenmeter-Werfen entschieden werden. Am Ende setzten sich die Löwen denkbar knapp mit 36:34 n.S. durch. Das wurmt die Sachsen-Anhalter übrigens bis heute. Fest steht jedenfalls bereits: Eine Titelverteidigung wird es nicht geben. Die Rhein-Neckar Löwen trafen in diesem Jahr bereits im Viertelfinale auf den Vorjahresfinalisten aus Magdeburg – und hatten das Nachsehen. Der SCM hat seinerseits alle Chancen und trifft im Halbfinale auf die Füchse Berlin, mit denen der amtierende Champions-League-Sieger in der Liga in direkter Konkurrenz um die Meisterschaft steht (der SCM hat hier, bei einem Spiel Rückstand, einen Minuszähler weniger auf dem Konto). Im zweiten Halbfinale stehen sich die SG Flensburg und die MT Melsungen gegenüber.


Die sportliche Seite beim Pokal mit Halbfinals und Finale und all der zu erwartenden Dramatik ist das eine. Aber das genügt den Machern offenbar nicht – oder nicht mehr. „Wir werden daraus den Super Bowl des Handballs machen“, kündigte der Chef der übertragenden Streaming-Plattform Dyn, Christian Seifert, vor einigen Wochen vollmundig an. „Das muss auch unser Selbstverständnis sein – in einem Land mit der stärksten Liga, mit den stärksten Spielern“, rechtfertigt Seifert seinen Anspruch. Dyn überträgt seit Beginn dieser Saison nahezu sämtliche wichtigen Handballspiele live.


Man wolle den Handball „auf ein neues Level heben“, unterstrich Seifert. Dafür müsse man den „großartigen Sport auch großartig produzieren“. Deswegen kommt dem Final Four im Pokal (13. und 14. April) eine besondere Bedeutung zu. Das Pokalfinale sei „eines der vier wichtigsten Handballspiele der Welt“ neben dem WM- und EM-Finale und dem Endspiel in der Champions League. Bei der zurückliegenden Europameisterschaft, die von den Organisatoren als die beste Endrunde der Geschichte bezeichnet worden war, ist die Vorrunde laut Seifert mit 15 Kameras produziert worden, das Finale mit 20. Das bevorstehende Final Four (Eigenlob: „Premium-Event des deutschen Clubhandballs“) werde nun mit 22 Kameras produziert und in 60 Länder übertragen. Seifert: „Wir sind auf einem fantastischen Weg mit dieser Sportart.“


Dies bestätigte WDR-Sportchef Karl Valks. „Wir haben bei der Handball-EM annähernd solche Zahlen auf Social-Media-Kanälen und sportschau.de erzielt wie bei der Fußball-WM in Katar“, sagte Valks. „Es gibt die Leute, die Lust auf diese Sportart haben“, so Valks. Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann berichtete ähnliches. Die Reichweitenzahlen bei der jungen Zielgruppe würden „explodieren“.

 

Jubel und Freude über die sich abzeichnende Entwicklung in allen Ehren, aber das geradezu überschwappende Ballyhoo wird keineswegs überall geteilt. Vor allem nicht bei Teilen der Fans. Sie sehen sich als Leidtragende eines Booms, der sich unter anderem in davon galoppierenden Preisen in Köln zeigt. Das gilt zuallererst für die Kosten der Tickets (die sich laut Veranstalter zwischen 74 und 559 Euro bewegen), aber ebenso für Hotels und Verpflegung. Es formiert sich Widerstand.


Den Anfang machte Flensburg. Mehrere Fan-Gruppen schlossen sich zusammen. Für sie ist, wie sie sagen, „die Grenze erreicht“. Mit der Anhebung der Ticketpreise würden treue, eh schon am Geldbeutel gepackte Unterstützer verdrängt durch das „austauschbare Eventpublikum“, das kommt, wenn Erlebniswert durch Exklusivität kreiert wird. Auch die teils horrenden Preise für Übernachtungen wegen hoher Nachfrage aufgrund der parallel stattfindenden Fitnessmesse oder die Kritik an einer zu starken Fokussierung der HBL (Handball-Bundesliga-Vereinigung) auf Events und zu wenig auf Sport wird kritisiert. Sie werfen der HBL „fehlende Bodenhaftung“ vor. Fans kündigten bereits an, nicht nach Köln reisen und das Turnier eben auf der heimischen Couch verfolgen zu wollen. Das gilt auch für einen Teil der Magdeburger Anhänger. Beim Bundesliga-Schlager im März gegen die Füchse Berlin prangten in der Getec-Arena Spruchbänder, auf denen es hieß: „Final Four für alle“ und „Handball muss bezahlbar bleiben“.

 

Seite 39, Kompakt Zeitung Nr. 253

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