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Die Kraft der Elbe

Ronald Floum

Ein Strom, der Landschaften formt und Leben spendet

Heu wird von den Glindenberger Wiesen um 1930 nach Hohenwarthe gebracht - natürlich per Fähre über die Elbe.

Schaut man bei einem Ausflug nach Hohenwarthe oder Glindenberg über die Elbe, lässt sich schwer abschätzen, wieviel Wasser hier täglich entlangfließt. Der Fluß, der im Riesengebirge (Krkonoše) nahe des tschechischen Ortes Špindleruv Mlýn (Spindlermühle) entspringt, bahnt sich auf mehr als 1.000 Kilometern seinen Weg an die Nordsee. Über den Ursprung des Flussnamens streiten sich die Sprachwissenschaftler. Die einen sagen, er kommt aus dem lateinischen Wort „albia“, was so viel wie „helles Wasser“ bedeutet. Doch andere sind überzeugt, dass in den weißen Flussnebeln der Flussauen Elfen wohnten, die sich nur im Morgennebel zeigten und den Menschen zugetan waren. Das mittelhochdeutsche Wort für Elfen heißt: „alb“. Viele glauben, dass die Elbe so zu ihrem Namen gekommen ist.

 

Jahrtausendelang war bei der Besiedlung die Elbe ein natürliches Hindernis. Zwar spendete der Fluss Nahrung sowie den Wäldern und fruchtbaren Niederungen sein kostbares Nass, war aber dennoch unberechenbar und eine Gefahrenquelle für die Ansiedlungen der Menschen. Weit verschlungene Wasserarme zogen sich durch die Gegend von Magdeburg bis weit hinter die heutige Ohremündung. Lage und Verlauf waren ständigen Veränderungen unterworfen. So führte der Hauptarm bei Wolmirstedt (die ursprüngliche Bezeichnung der Slawen war „Ustiure“, was auf die Mündung der Ohre in die Elbe hindeutet) entlang, vorbei an Barleben und Elbeu (Elbey). Rothensee und Glindenberg lagen noch rechtsseitig der Elbe.

 

Zeitgleich aber bildete sich bereits ein Nebenarm bei Hohenwarthe heraus. Die vielen Ausbiegungen und Seitenrinnen der Elbe nach rechts und links zwischen Magdeburg und Hohenwarthe zeigen, wie die Elbe hin und her einen Weg nach Norden suchte. Einen schnellen Durchbruch verhinderten große Wälder, die im Mittelalter die Landschaft prägten. Mächtige Eichen, die über Jahrtausende hinweg hier ihre Wurzeln in den Boden gruben, widerstanden den Wassermassen. Zwischen Magdeburg und Glindenberg dehnten sich sowohl bei dem heutigen Barleben, Rothensee und Niegripp riesige Wälder aus – die damalige Holzmark, die Schilde und der Sömmering. 

 

Viele Hochwasser überfluteten mehrmals im Jahr die Niederungen, brachten Sedimente an die Ufer, ließen Inseln und Sandbänke wachsen. Im 11. und 12. Jahrhundert begannen die Menschen den Fluss zu zähmen, errichteten Deiche und Wehre.

 

Ein schicksalhaftes Ereignis veränderte die Region völlig. Im 13. Jahrhundert (wahrscheinlich zwischen 1295 und 1300) verlagerte die Elbe ihren Hauptarm. Die anzunehmende Ursache: Eine Naturkatastrophe, die in Form eisiger Temperaturen und Treibeis in der Höhe von Magdeburg am Elbeknie einen Stau auslöste. Die Wassermassen stauten sich an und entluden sich explosionsartig. Die Flutwelle formte östlich von Wolmirstedt einen neuen Flusslauf.

 

Je mehr die Wasser den Weg von Magdeburg nach Hohenwarthe suchten, umso niedriger war der Wasserstand der alten Elbe. Bereits im Jahre 1316 lag eine Zollstätte mit einem Schloss zum Schutz bei Hohenwarthe. Streitigkeiten brachte die Verlagerung der Elbarme auf jeden Fall: Die Magdeburgischen Fischer suchten ihre Fischereigerechtigkeit in der neuen Elbrinne, was bei den Wolmirstedtern auf wenig Gegenliebe stieß. Gleichzeitig aber war den Fischern die alte Elbrinne bei Elbeu noch wertvoll, denn im Jahre 1528 verfochten sie ihr altes Recht der freien Fischerei von Magdeburg bis zur heute verschwundenen Hildagsburg.

 

Indes machte sich im 16. Jahrhundert der sinkende Wasserstand an der alten Elbe bemerkbar. Samuel Walther, Rektor des Gymnasiums in Magdeburg, schreibt 1737 in seinen Magdeburgischen Merkwürdigkeiten Teil VII, Seite 5: „ … es ist kurz vorher bemerkt worden, dass die Ohra bei Wolmirstedt vor diesem, wie der Augenschein nachweiset, in die Elbe eingetreten. Solches ist noch vor 200 Jahren (also um 1500) und noch später geschehen, wo-rauf die Elbe morgenwärts (östlich) einen weiten und neuen Cours genommen und also die Ohra in dem alten Elbstrom geblieben und länger geworden ist …. Die alte Conjunktion geschahe unter der Amtsbrücke zu Wolmirstedt …Im Übrigen ist keine alte Elbe mehr da, sondern, wenn das Elbwasser im Winter auftritt, so kömmts in den alten Gang hinein, welches eine Weile stehen bleibt. Dies kann aber kein Strom heissen.“

 

Laut dieser Aussage vereinigten sich noch um 1500 die Elbe und Ohre bei Wolmirstedt und nicht wie heute bei Rogätz. Der alte Nebenarm bei Wolmirstedt war noch einige Jahre für Schiffe befahrbar, verlor aber nach und nach an Bedeutung. Heute sieht man hier nur noch einen alten Graben, dessen frühere Bedeutung schwer zu erahnen ist. Wahrscheinlich ist, dass um 1500 der alte Elbarm bei Elbeu zum Nebenarm und der frühere Nebenarm bei Hohenwarthe zum Hauptarm wechselte. Erst um 1737 gab es keinen Elblauf mehr bei Wolmirstedt. Von da an führte das alte Flussbett kein regelmäßig fließendes Wasser mehr. Dies stank zum Himmel: Um wenigstens ein wenig Frischwasser in den toten Arm zu lassen, leitete die Regierung im Jahre 1776 die Schrote in das alte Elbebett. Allerdings nur ein kurzzeitiger Erfolg. Beim Bau der Eisenbahnstrecke Magdeburg-Stendal verschwand das letzte Stück der alten Elbe bei Elbeu.

 

Mit dem Sinken des Wasserstandes im alten Elbarm stieg im neuen Flussbett bei Hohenwarthe das Wasser allmählich an. So berichtet ein ehemaliger Pastor von Glindenberg namens Ulrich, dass seine Vorfahren das frühere Elbbett zwischen Glindenberg und Hohenwarthe zu Fuß passieren konnten. Eine Hütungsgemeinschaft fürs Vieh zwischen beiden Dörfern bestand noch 1785. Der heutige Verlauf der Elbe bei Glindenberg und Heinrichsberg ist maßgeblich vom Menschen durch Begradigungen und Buhnenbau beeinflusst.

Seite 22, Kompakt Zeitung Nr. 253, 10. April 2024

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