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Geschichtsorte:
Der unvergängliche
Ritter Kahlbutz

Michael Ronshausen

Manchmal liegen sie versteckt im Wald, manchmal sind sie nur auf verschlungenen Wegen zu erreichen. Doch auch unter dem Niveau der großen und bekannten Touristenmagnete finden sich in unserer Region zahlreiche Orte, bei denen sich ein Besuch lohnt. In den kommenden Monaten wird die KOMPAKT ZEITUNG einige dieser oft stiefmütterlich behandelten Ausflugsziele vorstellen. Den Anfang macht die evangelische Dorfkirche in Kampehl, in der seit mehr als 200 Jahren ein früherer Gutsherr keine Ruhe findet.

 

Einen Verstorbenen zu besuchen, ist auch heute noch eine alltägliche Sache. Liegt der Tote jedoch unter einer Glasscheibe, sieht die Sache etwas anders aus. Gläserne Särge gibt’s zwar im Märchen und manchmal auch bei katholischen Heiligen, doch sie sind keineswegs Bestandteil unserer regionalen Bestattungskultur. Zu den Ausnahmen gehört ein Ritter namens Christian Friedrich von Kahlbutz, dem zwar ursprünglich auch eine klassische Grabstätte in einer kleinen Kirche im nordwestbrandenburgischen Kampehl zugedacht war, der jedoch nicht nur zu seinen Lebzeiten, sondern vielmehr erst knapp ein Jahrhundert nach seinem Tode von sich reden machte. Ritter Kahlbutz (1651 bis 1702), der im eigentlichen Sinne kein echter Ritter war, hatte sich 1675 auf brandenburgisch-preußischer Seite an der siegreichen Schlacht gegen die Schweden bei Fehrbellin beteiligt und war für diesen Einsatz von seinem obersten Befehlshaber, dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, mit dem Gut Kampehl (es liegt rund zwei Kilometer nordöstlich von Neustadt an der Dosse) belehnt worden. Knapp 100 Jahre später starb die Familie Kahlbutz aus, und bei Umbauarbeiten innerhalb der Kirchengruft wurde festgestellt, dass sich der Leichnam des Gutsherrn fast komplett, ohne die Zuhilfenahme irgendwelcher Mittel erhalten hatte und – nach damaligem Verständnis – zur Mumie geworden war.


Für die Zeit um und nach 1800 galt dieser Fund als spektakulär, drangen doch erstmals glaubhafte Erzählungen über das Mumienwesen der Antike (Ägypten) in die einheimischen Gegenden. Tatsächlich war es mit „des Kahlbutzens“ Ruhe nun vorbei, mit seiner verlederten Leiche wurde nebenher reichlich Schabernack getrieben. So kolportierte etwa Theodor Fontane die Legende, bei der napoleonische Soldaten den vermeintlichen Ritter ans Kreuz schlagen wollten, Kahlbutz jedoch zurückschlug und dem Täter eine Ohrfeige verpasste, worauf dieser vor Schreck verstarb.


Andererseits begutachteten später keine Geringeren wie die Mediziner Rudolf Virchow und Ferdinand Sauerbruch den Toten – und konnten das Rätsel um seine natürliche Konservierung auch nicht auflösen. Selbst in den späten DDR-Jahren gab es für den Ritter noch einen Krankenhausaufenthalt zu wissenschaftlichen Zwecken, nämlich in der Berliner Charité.


Heute ruht Kahlbutz wieder unter seiner Glasscheibe in einem separaten Ausstellungsraum neben der Kirche in Kampehl, er gilt inzwischen als kleiner Touristenmagnet. Besucht werden kann der „Ritter“ meistens von 11 bis 16 Uhr, jedoch von Ostern bis einschließlich Juni nur an Frei-, Sams-, und Sonntagen. Die genauen Termine lassen sich über das evangelische Pfarrbüro in Neustadt/Dosse unter (033970)13265 erfragen.

 

Seite 18, Kompakt Zeitung Nr. 253, 10. April 2024 

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