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Gedanken- & Spaziergänge im Park: Rechts, Links, Klima

Paul F. Gaudi

 

Kürzlich titelte die Tageszeitung, dass unser guter Bischof Gerhard Feige „mit der AfD abrechnet.“ Es waren im Allgemeinen wohlüberlegte und keine krassen Feststellungen, die er traf. Auf die Frage, ob die AfD mit der NSDAP vergleichbar wäre, antwortete er, dass ihn da „ein klammes Gefühl beschleiche.“ Nun, das war sehr diplomatisch geantwortet. Es drückt sowohl seine Sorge aus, doch es bedeutet auch, dass eine Gleichsetzung von AfD und NSDAP fragwürdig ist. Solche Gleichsetzung könnten eigentlich nur Menschen treffen, die sich in der Geschichte, der Literatur, den Filmdokumenten und anderen Zeugnissen aus der Nazizeit nicht auskennen. Er ordnet der AfD einen „völkischen Nationalismus“ zu – ist das eigentlich nicht doppelt gemoppelt? – und erklärte: „Wir verehren keinen germanischen Stammesgott.“ Aber den propagiert die AfD meines Wissens gar nicht. Von einem Ausschluss von Katholiken und Katholikinnen aus ihrer Kirche wegen der Zugehörigkeit zur AfD war nicht die Rede. Als Gerd und ich das gelesen hatten, fiel uns zuerst das Drama „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth ein, wo geschildert wird, dass die katholische Kirche nicht gerade sehr oppositionell in der Zeit des Faschismus war, um es milde auszudrücken. Von einzelnen mutigen Priestern und Persönlichkeiten natürlich abgesehen. Die Einstellung der Kirche zur NSDAP änderte sich innerhalb weniger Jahre.

 

Treue gegenüber der Obrigkeit

 

1930/31 gaben die deutschen katholischen Bischöfe Verlautbarungen heraus, in denen sie wichtige Auffassungen der Nazis als unchristlich verurteilten. Sie verboten den Katholiken, in der NSDAP zu sein, diese zu unterstützen oder zu wählen. Katholische Parteimitglieder wurden sogar vom Empfang der heiligen Sakramente ausgeschlossen, was fast eine Exkommunikation bedeutete. Uniformierter Gottesdienstbesuch war sowieso untersagt und es kam vor, dass Parteimitglieder nicht kirchlich beerdigt wurden. Das änderte sich drei Jahre später, nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren. In Italien hatte die katholische Kirche bereits 1929 ein Konkordat mit der faschistischen Regierung abgeschlossen. Bald nach der Einsetzung Hitlers als Reichskanzler 1933 bot er dem Heiligen Stuhl den Abschluss eines Konkordats an, das dann im Juli 1933 schon abgeschlossen wurde. Neben vielen anderen Punkten, die für die Kirche zum Vorteil waren, gab es im Konkordat den Passus, dass die Bischöfe ein Gelöbnis zugunsten der Regierung zu leisten hätten mit dem Wortlaut: „Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen.“ Die Anweisungen der Bischöfe an ihre Gemeinden klangen nun wie das Gegenteil zu den Verlautbarungen von 1930. In der Erklärung der Bischöfe von 1933 hieß es nun u. a.: „Für die katholischen Christen, denen die Stimme ihrer Kirche heilig ist, bedarf es auch im gegenwärtigen Zeitpunkt keiner besonderen Mahnung zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit und zur gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten unter grundsätzlicher Ablehnung alles rechtswidrigen und umstürzlerischen Verhaltens.“ Natürlich durften Parteimitglieder wieder am Abendmahl teilnehmen. Aber das ist alles lange her. Ob sich die katholische Kirche und ihre Bischöfe daran noch erinnern?


Gerd hält übrigens die Verweise auf eventuelle Ähnlichkeiten zwischen der AfD und der NSDAP in den allermeisten Fällen für falsch. Es gab nach dem Krieg in der alten Bundesrepublik Parteien, die man durchaus als Versuch einer Nachfolge der Nazipartei betrachten könnte. Eine davon, die Sozialistische Reichspartei (SRP), wurde verboten und die andere, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDP), versank in der Bedeutungslosigkeit. Diese Wurzeln hat die AfD nicht. Sie hatte ihren Ursprung hauptsächlich in einem konservativen Teil der CDU, der mit dem Kurs der Partei unter der Führung von Angela Merkel immer unzufriedener wurde. „Was zeichnet einen faschistischen Staat denn eigentlich aus?“, fragte Gerd und fuhr fort: „Erst einmal eine autoritäre Führung, die sich im Besitz der allein gültigen Wahrheit glaubt, repräsentiert durch eine Gruppe oder eine einzelne Person. Zweitens die weitgehende Unterdrückung aller anderen oder gar gegenteiligen Meinungen durch Repressalien, Meinungsterror, Verfolgung und Unterdrückung mittels Polizei, Geheimdiensten und einer parteihörigen   Justiz. Ferner die Abschottung nach außen, indem man den Informationsfluss, der von dort kommt, einengt, behindert oder sogar verbietet und seine Verbreitung unter Strafe stellt. Außerdem zeichnet sich ein solcher Staat auch dadurch aus, dass er seine Führungsfiguren danach aussucht, ob sie bedingungslos die Auffassung der herrschenden Gruppe teilen. Wenn du diese Kriterien anlegst, gibt es eine ganze Menge Staaten, die man dann als faschistisch oder zumindest als profaschistisch bezeichnen könnte. Zum Beispiel Russland, China, Nordkorea, den Iran, Belarus, Kuba, Nicaragua und vielleicht noch ein paar afrikanische Staaten. Die Aufzählung ist sicher nicht vollständig. Du siehst, dass ein paar davon aus kommunistischen Staaten hervorgegangen sind, also nicht rechts, sondern links waren, bzw. sind.“

 

Ideologie oder Vernunft?

 

„Vielleicht hatte der italienische Schriftsteller Ignazio Silone (1900-1978) doch recht, als er sagte: Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus?“ „Ja, es scheint so,“ erwiderte Gerd, „aber vielleicht ist die immer erfolgende Einteilung zwischen politisch rechts und politisch links heutzutage einfach falsch. Die mag im 20. Jahrhundert oder im 19. Jahrhundert noch gestimmt haben. Heute halte ich sie für fragwürdig.“ „Und welche Pole würdest du statt rechts und links vorschlagen?“ „Ich würde nicht mehr zwischen rechter und linker Politik unterscheiden, sondern zwischen Ideologie auf der einen und Vernunft auf der anderen Seite. Schau dir einmal das an, was das Bündnis Sahra Wagenknecht so propagiert. Zum einen spricht sie von nationalen Interessen, was im Allgemeinen als rechts gilt und zum anderen vertritt sie ein sozialistisches Denken, das bisher als links eingeordnet wird. D. h., ehemals als rechts oder links betrachtete Aspekte werden zusammen verwendet, weil sie gemeinsam als vernünftig erscheinen und nicht von ideologischen Fantasien inspiriert sind. Also mir leuchtet das ein. Weißt du, wenn ich jemals auf die Idee verfallen wäre, eine Partei zu gründen, dann würde ich sie PPV genannt haben.“ „Und was soll PPV heißen?“ „Partei der politischen Vernunft.“ „Ja“, erwiderte ich, „das klingt gut. Schade, dass es wie bei so manchen deiner Gedanken nur bei dem Gedanken blieb.“

 

Sich im Chorgesang üben

 

Der 27. April wurde von ein paar Klimaorganisationen zum Tag der Klimademokratie ernannt unter der Schirmherrschaft von Karin Göring-Eckardt und dem Journalisten Eckart von Hirschhausen. Gerd lachte laut, als er davon hörte und meinte, das sei wieder einmal eine verrückte Wortschöpfung: „Klimademokratie“. Das Klima sei nicht demokratisch. Das Klima ist eine Diktatur, macht was es will, und lässt sich in seinem Ablauf von unseren menschlichen Wünschen herzlich wenig beeinflussen. Die Demokratie besteht nun darin, dass man an diesem Tag mit Abgeordneten über das Klima diskutieren kann. Rund 60 haben sich dafür zur Verfügung gestellt, davon gehören 31 den Grünen an, 23 der SPD, nur vier der CDU und fünf den Linken. Schon bei dieser Verteilung ist die demokratische Schieflage deutlich zu erkennen. FDP-Abgeordnete sind nicht dabei und die AfD ist vermutlich nicht erwünscht. Es ist also anzunehmen, dass die, die stets von einer, natürlich menschengemachten, Klimakatastrophe reden, dabei schön unter sich bleiben und sich im Chorgesang üben können. Was das mit Demokratie zu tun haben soll, bleibt uns ein Rätsel. Vielleicht werden uns das die Schirmherrin und der Schirmherr erklären. Es wird wieder einmal eine Volksbeteiligung nur vorgetäuscht, die die grüne Energiewende, die der Wirtschaft schwer zu schaffen macht und uns Normalverbrauchern höhere Kosten beschert, beklatschen und lobpreisen soll. Mit einer echten Volksbeteiligung hat das nichts zu tun. Die kann man in der Schweiz bewundern, wo zu allen möglichen Entscheidungen eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann. So etwas kennen wir in Deutschland nicht. Der parlamentarische Rat, die Väter des Grundgesetzes, haben nach schlechten Erfahrungen aus der Weimarer Republik auf die Möglichkeit der direkten Demokratie auf Bundesebene verzichtet. Sie hielten das deutsche Volk wohl nicht reif genug dafür. Hatten sie recht damit? Schwer zu sagen, die Meinungen dazu sind sicher geteilt. Stattdessen beriefen Regierung und Bundestag im Mai letzten Jahres einen Bürgerrat zur Ernährung ein. Also zu einem Sachverhalt, der eigentlich etwas ganz Privates, wie den eigenen Geschmack, betrifft. Dieser tagte dann von September bis zum Januar dieses Jahres, natürlich mit ausgesuchten „Experten“ und übergab seine Empfehlungen im Februar der Bundesregierung. Die meisten sind eigentlich selbstverständlich, wie z. B., dass kostenloses und gesundes Mittagessen an allen Kindergärten und Schulen ausgegeben werden sollte. Warum gibt es eigentlich keinen Bürgerrat oder eine Volksbefragung zur CO2-Bepreisung und zur Energiesteuer? Aber solch ein Rat käme vielleicht zu Vorschlägen, die dieser Regierung gar nicht passen würden. Also lassen wir das lieber.


Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Teil III erscheint in Kürze. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

 

Nr. 254 vom 23. April 2024, Seite 8

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