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Gedanken- & Spaziergänge im Park: Spitzel und Geschenke

Von Paul F. Gaudi

 

„Weißt du, Gerd, dass ich hin und wieder darauf angesprochen werde, ob du Mitglied der AfD wärst? Weil du doch in unseren Gesprächen diese Partei angeblich immer verteidigen würdest.“ „Das überrascht mich nicht, denn mich haben das auch schon manche gefragt. Das entspräche aber nicht meiner inneren politischen Überzeugung. D. h., Überzeugung ist vielleicht das falsche Wort. Das klingt zu sehr nach Parteilehrjahr. In der DDR gelang es mir, in der Studentenzeit irgendwelche Werbungen zur SED abzuwehren. Später hat man mich dann nicht mehr diesbezüglich belästigt. Als die DDR dann 1989 zerbröckelte, kam ich auch aus meinem – wie soll ich es nennen – politischen Schutzraum heraus und trat gleich in das Neue Forum ein, als ich erfuhr, dass es in Magdeburg eine entsprechende Gruppe gab. Aber enttäuscht war ich, dass sich das Neue Forum an der Wahl zur Volkskammer nicht beteiligen wollte. Daher wechselte ich das Pferd und trat der sozialdemokratischen Neugründung in der DDR, der SDP bei. Aber diese Liebe währte nur kurz. Denn als ich im März 1990 im Spiegel las, dass ein Mitbegründer der SDP, Ibrahim Böhme, ein wichtiger Stasispitzel gewesen sein soll, war ich bitter enttäuscht. Böhme ließ zwar sein frisch errungenes Volkskammermandat ruhen, wurde aber dennoch im Juli 1990 zum Polizeibeauftragten durch den SPD-Oberbürgermeister von Ostberlin ernannt und wurde sogar noch auf dem Vereinigungsparteitag der Ost- und West-SPD am 26. und 27. September 1990 in Berlin in den Vorstand gewählt! Erst 1992 wurde er wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus der SPD ausgeschlossen.“

Eigene Fehler sind verzeihlich

 

„Da schau her“, sagte ich erstaunt, „wie milde man doch mit den eigenen Leuten umgeht. Wenn ich da an die SPD-Stimmen denke, die heute den AfD-Politiker Krah fast beschuldigen, für die Chinesen gearbeitet zu haben, weil er den Chinesen Jian G. als Mitarbeiter eingestellt hatte, der der geheimdienstlichen Arbeit für China beschuldigt wird, da ging man doch mit dem Spitzel Böhme viel geduldiger um!“ „Ja, dabei sollte man auch noch wissen, dass der Jian G. auch bis 2015 Mitglied der SPD war und „Bild“ berichtete kürzlich, dass er sogar seit 2007 Informant des sächsischen Verfassungsschutzes gewesen sei. Er wurde auch wegen des Verdachtes, für China zu arbeiten, vom Verfassungsschutz überprüft. Das hatte nichts Endgültiges erbracht. Die Frage ist aber, warum ein Europaabgeordneter nicht vom Verfassungsschutz über diesen Verdacht informiert wurde?“ „Die SPD war auch bei Willy Brandt und dem Spitzelfall Guillaume sehr nachsichtig. Als Günter Guillaume, der übrigens 1944 mit 18 Jahren in die NSDAP eingetreten war, 1956 von der Stasi in den Westen geschickt wurde, dort in die SPD eintrat und Karriere machte, 1969 vom SPD-Minister Georg Leber in das Bundeskanzleramt empfohlen und ab 1972 der persönliche Referent von Willy Brandt war, 1974 verhaftet wurde, da trat Willy Brandt zwar als Bundeskanzler zurück, denn er wollte das Amt nicht beschädigen und dauernd daraufhin angesprochen werden. Aber er blieb weiter bis 1987 Vorsitzender der SPD.“ „Das ist doch immer und überall so. Die eigenen Fehler und Pannen sind verzeihlich, während die der Anderen, besonders wenn es politische Konkurrenten oder Gegner sind, mächtig aufgeblasen werden.“


„Jetzt hast du dich aber um eine Antwort auf meine anfangs gestellte Frage gedrückt, warum du die AfD so oft verteidigst.“ „Eigentlich verteidige ich sie nicht, wenn ich den anderen Parteien ihr gegenüber unfaires Verhalten vorwerfe. Ich befürchte nämlich, dass die bürgerlichen Parteien durch ihr Verhalten mehr sich selbst als der AfD schaden und ihr sogar noch Wähler in die Arme treiben. Ein Beispiel: Bei der Besetzung der Präsidien der Landtage und des Bundestages wird mit schöner Regelmäßigkeit der AfD der ihr zustehende Platz eines Vizepräsidenten verwehrt, auch wenn eine völlig integre Persönlichkeit von der AfD dafür vorgeschlagen wird. Dagegen kann aber eine Absolventin der SED-Parteihochschule Karl Marx, die auch Mitglied des Zentralrats der FDJ war, seit Jahren Vizepräsidentin des Bundestages sein. Da gibt es offenbar keinerlei Zweifel an ihrer Eignung. Oder wenn in Landes- oder Kommunalparlamenten ein von der AfD gestellter Antrag abgelehnt wird und zu einem späteren Zeitpunkt ein ähnlicher Antrag einer anderen Partei befürwortet wird. Jeder politisch denkende Wähler schüttelt nur den Kopf über solche kindischen Spielchen. Ein Politologe aus Magdeburg empfahl aber genau das in der Tageszeitung und meinte, es hätte sich bewährt, AfD-Anträgen nicht zuzustimmen und stattdessen einen ähnlichen eigenen Antrag zu stellen. Ein schlechter Rat, denn so macht man sich in den Augen der Wähler unglaubhaft und lächerlich. Die Wähler sind nicht so dumm, als dass sie das nicht bemerken würden. Genau darauf möchte ich die bürgerlichen Politiker aufmerksam machen und sie vor solchen Dummheiten warnen. Außerdem hat die Polarisierung links oder rechts für mich keine Bedeutung, sondern ich schaue mehr darauf, ob die jeweilige Politik von Vernunft oder mehr von Ideologie beherrscht ist.“

 

Forderungen nach einem Kalifat

 

Ende April und am letzten Sonnabend fanden in Hamburg islamistische Demonstrationen statt mit über 1.000 Teilnehmern, auf denen die Errichtung eines Kalifats und die Einführung der Scharia gefordert wurden. Organisiert wurden sie von der als gesichert extremistisch eingestuften Organisation „Muslim interaktiv“. Ein paar Tage zuvor hatten CDU und AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft ein Verbot der ersten Demo beantragt, was aber von den regierenden Parteien SPD und Grüne abgelehnt wurde. Nach der ersten Demo war die Empörung groß und der Parteivorsitzende der Grünen Nouripour forderte ein Verbot dieser Organisation und weiterer solcher Demonstrationen, die aber dennoch stattfand. Auch Frau Faeser zeigte verbale Empörung. „Ob die wohl im Nachhinein der Pegida aus Dresden noch recht geben wollen?“, fragte Gerd spöttisch. „Es ist doch schon seltsam, dass nach dem Treffen von einem guten Dutzend Konservativer in einer Potsdamer Villa aufgrund von wenig dokumentierten Behauptungen von vielen Organisationen mit Beteiligung der Regierenden in vielen Städten Massendemonstrationen organisiert wurden, um die Demokratie vor einem angeblichen Umsturz zu schützen. Aber nach der Demonstration in Hamburg, wo tatsächlich die Abschaffung der demokratischen Ordnung zugunsten eines Kalifats gefordert wurde, nur eine kleine Gegendemonstration und auch nur in Hamburg stattfand.“ Den Islam, selbst wenn er militant auftritt, fasst man mit Samthandschuhen an. Manchmal hofiert man ihn sogar. So wurden zum Ramadan in Frankfurt am Main und in Köln Straßen mit einer Festbeleuchtung „Happy Ramadan“ ausgestattet. Interessanter Kontrast: Das hohe jüdische Fest Pessach vom 22. bis 30. April wurde in keiner Stadt mit solcher Festbeleuchtung geehrt. „In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass 82 deutsche Städte und Landkreise Partnerstädte in Israel haben. Die Landeshauptstadt Magdeburg gehört nicht dazu. Haben wir da etwas verschlafen?“

 

Nur ein symbolischer Akt

 

Schöne Bilder gab es von Frau Baerbocks Besuch in Australien, wo sie sich bei einem Begrüßungsritual der Ureinwohner „beweihräuchern“ ließ. Der Anlass war die Rückgabe einiger hölzerner Geräte des Kaurna-Stammes, die sich bislang im Besitz des Grassi-Museums (Leipzig) befanden. „Aber das war nur noch eine Show, sozusagen der zweite Aufguss“, bemerkte Gerd dazu. „Diese Gerätschaften wurden in Wahrheit von der Museumsmitarbeiterin Scheps-Bretschneider schon ein Jahr zuvor feierlich übergeben. Das kam so: Im August 2023 sollte der Flug nach Australien schon stattfinden, aber durch einen Schaden an der Maschine endete die Reise in Abu Dhabi und Frau Baerbock flog zurück. Frau Scheps-Brettschneider aber flog auf eigene Faust mit den Gegenständen nach Australien, wo sie in Sydney Angehörigen der Kaurna in einer feierlichen Zeremonie die Gegenstände übergab. Die „Zeit“ berichtete im August 2023 darüber. Die Übergabe durch Frau Baerbock in diesem Jahr war eigentlich nur noch ein symbolischer Akt.“ „Na, vielleicht geht es der Ministerin wie der Witwe Bolte mit dem Sauerkohl, wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt, wie Wilhelm Busch in Max und Moritz schrieb.“ Die Gegenstände waren Eigentum von vier Dresdner Missionaren, denen 1834 dort ein Stück Land zur Verfügung gestellt wurde, um zu missionieren. Die Missionare lernten die Sprachen der Kaurna und dreier benachbarter Stämme, verschriftlichten sie und erstellten sogar eine Grammatik. Auf dem Missionsgebiet waren die Indigenen vor der Vertreibung und auch Ermordung durch englische Siedler geschützt. Das passte den Kolonialherren nicht und 1840 kündigten sie den Vertrag mit den Mönchen, die wieder zurück nach Deutschland mussten. Wie brutal die britische Landnahme damals war, sieht man auch daran, dass bei der Ankunft der Mönche dort etwa 6.000 Kaurna lebten, bei ihrer erzwungenen Abreise waren es noch ca. 300! Diese Gegenstände des täglichen Gebrauchs waren keine Raubkunst. Wenn sie nicht nach Deutschland gekommen wären, dann gäbe es sie überhaupt nicht mehr.“

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Teil III erscheint in Kürze. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.  

 

Nr. 255 vom 14. Mai 2024, Seite 9

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