Gedanken- & Spaziergänge im Park:
Das Rauschen im Blätterwald

Paul F. Gaudi

Echte oder vorgebliche Skandale brachten in letzter Zeit den Blätterwald zum Rauschen. Natürlich auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das Fernsehen. Ein Aufreger war die mehrfache Olympiasiegerin Claudia Pechstein. Sie sprach am 17. Juni in Berlin auf dem CDU-Grundsatzkonvent und trug dabei die Uniform der Bundespolizei, der sie angehört. Aus der linken und grünen Ecke wurde sie vor allem wegen des Tragens der Uniform auf einer Parteiversammlung heftig kritisiert. Die künstliche Aufregung über Auftritt in Uniform darf man mit Recht in Frage stellen. Geht es in Wahrheit nicht viel mehr darum, was sie in ihrer Rede sagte und nicht darum in welcher Tracht sie diese hielt? Eigentümlicherweise wird darüber weniger berichtet und kritisiert als über diese Äußerlichkeiten. Sie mahnte u. a., dass für mehr Sicherheit abgelehnte Asylbewerber konsequent abgeschoben werden müssten, statt „darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“.


Hätte sie das Gegenteil von all dem gesagt, wäre die veröffentlichte (nicht die öffentliche!) Aufregung vermutlich ausgeblieben. „Übrigens fand Herr Merz die Rede von Frau Pechstein brillant“, sagte ich zu Gerd. „Das wundert mich nicht“, antwortete er, „denn schließlich sagte sie all das, was Herr Merz verschwiegen hatte und was man eigentlich von ihm erwartet hätte.“ Die „taz“ meint über Pechstein, dass ihre Auffassungen mit der vieler Deutscher übereinstimmen würden, sieht das aber ausgesprochen negativ und fasst kurz zusammen: „Deutschland, einig Arschloch-Land.“ Ist das nun Hass oder Hetze? Drei Tage später wurde übrigens Pechsteins Auto beschädigt. Das Fenster auf der Fahrerseite sei kleinteilig gesprungen, hieß es. Es habe ausgesehen wie ein Einschussloch, sagte Frau Pechstein. Ein Schelm, der Arges dabei denkt!


Ein anderer Skandal betrifft den Frontmann der Band Rammstein, Till Lindemann. Von ihm wird behauptet, dass er auf den Partys nach den Konzerten Frauen belästigt und auch gegen ihren Willen mit ihnen sexuellen Verkehr gehabt hätte, angeblich vereinzelt auch unter Verwendung von Betäubungsmitteln. Diese Vorwürfe wurden zuerst von einer Nordirin im Netz erhoben, der das nach dem Auftritt der Band in Vilnius, wohin sie extra gereist war, angeblich widerfahren sei. Presse und Fernsehen verbreiteten das sehr schnell und es vergeht kaum ein Tag, wo Rammstein nicht erwähnt wird. Verlage und Plattenfirmen machten schon die ersten Rückzieher. Nach der Prüfung und Bewertung der erhaltenen Informationen leitete die Staatsanwaltschaft in Vilnius aber kein Verfahren ein, da „keine objektiven Tatsachenbeweise“ ermittelt werden konnten. Der eigentliche Skandal ist aber, dass Till Lindemann und Rammstein in den Medien so verurteilt werden, als wäre alles eine Tatsache. Dabei ist aber bisher nichts bewiesen. Von den Frauen, die im Netz davon berichteten, ist bisher keine Anzeige oder eine Anklage erhoben worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat zwar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nicht aufgrund einer Anzeige einer Geschädigten, sondern „von Amts wegen“ auf der Grundlage der im Netz erfolgten Mitteilungen. Natürlich müssen Straftaten auch bestraft werden, keine Frage. Aber bevor etwas bewiesen ist, sind solche öffentlichen Vorverurteilungen eine schlimme Sache, die eine berufliche Karriere und einen persönlichen Ruf einschneidend schädigen kann.


Es kommt noch dazu, dass den jungen Frauen, die nach dem Konzert zu der anschließenden Party hinzu gebeten waren, sicher bewusst war, „dass dort nicht nur Mikado gespielt wird und Laubsägearbeiten gefertigt würden“, wie der Kabarettist Harald Schmidt in Bayrischen Fernsehen sagte. Es erhebt sich auch die Frage, ob bei anderen männlichen Rockgruppen nicht ähnliche Partys nach den Konzerten stattfanden. Die hüllen sich wohlweislich in Schweigen. Die Fans scheint das aber wenig zu stören, im Gegenteil! Der Verkauf von Rammstein-CDs ist in den letzten Wochen stark angestiegen, die Konzerte dieser Band sind weiterhin ausverkauft und die Besucher lassen sich nicht von einigen vorverurteilenden Demonstranten abhalten. Über die Petitionsplattform „campact“ läuft derzeit eine Unterschriftensammlung, um die Berliner Konzerte von Rammstein zu verhindern. Campact ist relativ links orientiert und über sie wurde übrigens im März 2021 versucht, eine weitere Amtszeit von Oberbürgermeister Trümper zu verhindern. 


Weder Gerd noch ich kennen Songs von Rammstein oder haben zumindest bewusst noch nie etwas von ihnen gehört. Das ist nicht unsere Musik. Uns bewegt anderes viel mehr, nämlich die Situation im Gesundheitswesen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erwartet die Schließung von bis zu einem Fünftel der Kliniken in Deutschland, wurde kürzlich mitgeteilt, was auch den Plänen von Herrn Lauterbach entspricht. Irgendwie leuchtete uns das nicht so richtig ein. Nach der Statistik gab es im Jahr 2000 in Deutschland noch 2.292 Krankenhäuser. 2020 waren es nur noch 1.903. Wenn die auch noch um 20 Prozent verringert werden, bleiben in Deutschland noch etwa 1.500 übrig. Das Gesundheitswesen in der DDR war gegenüber der BRD technisch immer ein paar Jahre zurück, aber personalmäßig viel besser ausgestattet als es die Krankenhäuser heute sind. In jedem Kreis gab es ein Krankenhaus mit zumindest den vier wichtigen Fachrichtungen Chirurgie, Innere, Frauenklinik und Kinderklinik. Was ist davon übrig? In Schönebeck z. B. gibt es jetzt keine Frauen- und keine Kinderklinik mehr. Ein medizinisches Labor scheint dort auch nicht zu bestehen, denn die Untersuchungen werden in Bernburg durchgeführt, wie uns ein Freund berichtete. Der Transport dorthin verzögert die Diagnosefindung. Eine Schwangere müsste zur Entbindung nach Magdeburg oder Aschersleben. Zu DDR-Zeiten hatte selbst der ländliche Kreis Wanzleben selbstverständlich in Bahrendorf die Abteilungen Chirurgie, Gynäkologie und Kinderheilkunde und in Klein Wanzleben die Innere Medizin. Davon ist nichts mehr übrig. Kürzlich las man in der hiesigen Tageszeitung, dass auch die Kinderintensivstation an der Universitäts-Kinderklinik in Magdeburg aus Personalmangel geschlossen wird. Wohin wird das noch führen? Wo bleibt die wohnortnahe Versorgung?


Gerade in ländlichen Gebieten wird man den Personalmangel in den Kliniken durch Schließung anderer Kliniken nicht beheben, denn die „frei werdenden“ Pflegekräfte werden kaum täglich über 50 Kilometer hin und zurück zur Arbeit fahren wollen. Neuerdings kommt dazu noch ein Medikamentenmangel. Früher galt Deutschland einmal als die „Apotheke der Welt“. Aber das ist sehr lange her. Dieser Titel gebührt jetzt vermutlich Indien und China.


Einen wahren Überfluss dagegen scheint es bei den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst zu geben. 2022 waren das 5,2 Millionen Mitarbeiter und damit 106.000 mehr als im Vorjahr! Eine Steigerung um 2,1 Prozent. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes stellen 11 Prozent aller Erwerbstätigen. 2010 waren es 4,5 und 2015 erst noch 4,6 Millionen. Betrachtet man nur die Angestellten und Beamten der Bundesebene, so fand von 2020 zu 2021 eine Steigerung von 755.000 auf 786.000 statt. In der gesamten Statistik gab es seit 2005 noch nie so einen großen Sprung von 30.000 neuen Mitarbeitern, also fast 5 Prozent mehr. Da fragt man sich, wieso bei zunehmender Digitalisierung die Zahl der Angestellten des öffentlichen Dienstes auf allen Ebenen so stark zunimmt? Das gleiche Phänomen zeigte sich auch, als die neue Regierung antrat und die Zahl der Staatssekretäre und der Staatsminister in den Ministerien deutlich zunahm. Vielleicht hatte C. N. Parkinson (1909-1993), der sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Bürokratie beschäftigte, doch recht, als er schrieb, dass die Bürokratie sich immer mehr ausbreitet, ohne dass die entsprechenden staatlichen Aufgaben größer und mehr würden.


Auf dem Rückweg erzählte mir Gerd, dass sich Herr Habeck wohl im Ton vergriffen hätte, als er die gerichtlich angeordneten Polizeiaktionen und Hausdurchsuchungen bei den Klimaextremisten der letzten Generation auf einer Veranstaltung des Bundes Umwelt und Naturschutz in Deutschland als „Rollkommandos“ bezeichnete. Mit Rollkommandos bezeichneten sich damals gewalttätige Gruppen der SA und der SS, die in Deutschland und später in besetzten Gebieten Andersdenkende terrorisierten, verhafteten oder töteten! „Stell dir mal vor, der Höcke aus Thüringen hätte diesen Begriff benutzt. Da wäre aber was los! Der hätte sofort noch eine Anzeige am Hals“, meinte er. Ich fand es eigenartig, dass Minister Habeck bei der Veranstaltung zum Gedenken an den 17. Juni 1953 im Bundestag im Gegensatz zu anderen auf der Regierungsbank die Nationalhymne nicht mitgesungen hatte. Auf Nachfragen dazu erklärte er in der F.A.Z., dass das für ihn ein Moment der „inneren Ergriffenheit und der Stille“ gewesen wäre. Gerd hegte da seine Zweifel und zitierte aus dem 2010 erschienenen Buch von Habeck „Patriotismus. Ein linkes Plädoyer“: „Patriotismus, Vaterlandsliebe fand ich immer zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

Seite 8, Kompakt Zeitung Nr. 235

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