Keine Angst vorm Hexenschuss
Roland Minda
Signale aus unserem Körper, aus unserem Ich, kennen wir: Liebe, Glück, aber auch Hunger, Durst oder gar Unwohlsein sowie Schmerzen. Den Rückenschmerz wollen wir hier etwas näher betrachten.
Die Wirbelsäulenschmerzen stehen statistisch auf dem ersten Platz der unangenehmen Antworten aus dem Körper. Positive Empfindungen lassen uns beruhigt in den Tag gehen und wir können unsere gewünschten Unternehmungen planen und realisieren, die Welt ist in Ordnung, aber wehe, es wäre einmal oder es ist anders, dann führt die Angst die Regie. Die Belastung für den Einzelnen oder auch für die Familie kann dann unter Umständen enorm sein. Aber bitte keine Angst, 90 Prozent der banalen Rückenschmerzen sind meistens nach ca. sechs Wochen verschwunden. Unser Körper regeneriert sich selbst.
Eine ganz besondere Bedeutung haben jedoch die Beschwerden, die verbunden sind mit einer schmerzunabhängigen Bewegungsbeeinträchtigung, einer muskulären Schwäche, Störung zum Beispiel auch beim Wasserlassen, Fieber, Schüttelfrost etc., hier ist der Arzt gefragt. Auch ein schmerzhafter Rücken, verbunden mit depressiven Gedanken, übermäßiger Angst sowie überbordende Belastungseinschränkungen sollten medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Warum ist das so? Was passiert mit mir – mit uns, mit unserem aufrechten Gang? Rund 300.000 Jahre sind wir schon auf zwei Beinen unterwegs und trotzdem haben wir mit dem dauerhaften aufrechten Gang immer noch Schwierigkeiten.
Wir sollten unsere Geschichte und unser Heute betrachten: ein ausbalanciertes Leben mit Bewegung, in jeder Situation und mit einer trainierten Muskulatur, möglichst über 25 Kilometer pro Tag, ist das unsere Realität? Wahrscheinlich nicht. Schneller bequemer vom Punkt A zum Punkt B zu gelangen und parallel das Smartphone benutzen – das gehört wohl eher in unsere Jetztzeit.
Wir haben unsere Hardware, Körper Mensch – ganz zu schweigen von der Software – zu selten im Blick. Wir schalten sie ein und wieder ab – meistens ist jedoch ein Standby-Modus angesagt. Den Kreislauf zu dynamisieren ist unerlässlich und zwingend nötig, damit die Muskulatur bis ins hohe Alter trainiert und ständig neu aufgebaut werden kann. Dass das geht, findet kaum Beachtung. Vielleicht ist das sogar vielen unbekannt.
Eine bewegungsminimierte Tätigkeit, möglichst den Parkplatz nahe dem Schreibtisch, der Stress, das Altern – immerhin ist es ein Geschenk, im Durchschnitt 82 Jahre als zu werden – sind Themen, über die oft nicht gern geredet wird. Doch wir können und müssen die Realität verstehen, um uns das Geschenk, gesund zu altern, selbst machen zu können.
Ab dem 30. Lebensjahr verlieren wir über jeweils zehn Jahre 10 Prozent Muskelmasse. Betrachten wir einen durchschnittlichen 60-Jährigen, dann hat er untrainiert 30 Prozent an seiner Muskulatur eingebüßt, ist aber wahrscheinlich nicht leichter geworden. Warum? Bindegewebe und Fett haben den „frei“ werdenden Raum aufgefüllt. In dieser Zeit hat auch der Wassergehalt der Bandscheiben abgenommen, die Abstände zwischen den Wirbelkörpern haben sich verschmälert und die Wirbelgelenke sind in Teilen abgenutzt.
Eine bequeme Bewegungsroutine zieht uns aus dem Gleichgewicht und der Verschleiß nimmt zu. Muskel-, Bindegewebsprobleme, Nervenreizungen und Wirbelgelenk-„Blockaden“ melden sich. Befindlichkeitsstörungen bestimmen zumindest zeitweise das Leben. Die kleinen Wirbelgelenke, die wie die Bandscheiben und die Bänder die Verbindung der Wirbelkörper untereinander herstellen, funktionieren wie kleine Schieber und besitzen eine Vielzahl von Nerven, die Informationen über die aktuelle Situation: Gehen, Stehen, Sitzen … Entzündungen … Instabilitäten oder andere Inhalte, weiterleiten, informieren uns über unseren aufrechten Gang. So wir die Wirbelsäule nicht spüren, ist sie für uns quasi nicht da. Vereinfacht gesagt, ist dann alles in Ordnung. Spüren wir z. B. das Herz nicht – dann ist auch dort alles okay. Reduziert sich nun der Abstand zwischen den Wirbelkörpern, durch z. B. einen Elastizitätsverlust der Bandscheiben, werden die Wirbelgelenke überbelastet und es schmerzt. Die Hexe schießt. Das kennen wir.
Über die Zeit kann sich der Körper durch Stabilisierungsmaßnahmen von Muskulatur, Bindegewebe und Knochen behelfen, dieser Vorgang ist unser Naturell, und die Zukunft kann selbstbestimmt weiter geplant werden. Tritt diese Selbstheilung nicht ein und die medizinische Hilfe, wie Physiotherapie, Schmerzmittel, auch Sport unter medizinischer Aufsicht, hilft nicht, dann sollte die diagnostische Bildgebung – Röntgen, CT, MRT – zum Einsatz kommen. In der Regel können die Verfahren die Ursachen darstellen.
Betrachten wir die durch Wirbelgelenkveränderungen dominierenden Kreuzschmerzen. Sie spielen eine wichtigste Rolle. Die erhebliche Anzahl der sich dort befindenden Nerven geben die Information, hier stimmt was nicht, an unsere Schaltzentrale, das Gehirn, weiter. Dieses Kreuzschmerzproblem, aus der Vielzahl von Möglichkeiten der Schmerzentstehung, zu lösen, steht hier im weiteren Mittelpunkt. So keine dramatische Symptomatik, wie Lähmungen, unerträgliche, nicht zu beeinflussende Schmerzen oder ähnliche vorhanden sind, besteht die Möglichkeit vor einer Operation, mittels einer interventionellen Therapie, zu helfen.
Die interventionelle Therapie hat das Ziel, vor allem bei wirbelsäulenbedingten Beschwerden, den Ort der Schmerzentstehung durch Injektionen, in der Regel, ambulant auszuschalten. Es werden, unter „Sicht“ mittels eines Röntgen-Gerätes oder CTs, diese Schmerzgeneratoren (Entstehungsort der Schmerzen) mittels einer speziellen Kanüle aufgesucht, um dort die Injektion auszuführen. Meistens werden dort schmerzstillende Präparate in Kombination mit antientzündlichen platziert. Eine komplexe interdisziplinäre Untersuchung vor dieser Behandlung, mit Abwägung aller Eventualitäten unter Berücksichtigung der internationalen Datenlage von erfahrenden Ärzten, versteht sich von selbst.
Die Erfolgsaussicht sollte bei mindestens 70 Prozent liegen. Nach einer Behandlung dieser Art, auch in der Wiederholung, wird im Bedarfsfall z. B. eine Radiofrequenzläsion notwendig sein, die die kleinen Nerven, ohne Dauerschaden, im Sinne einer Weiterleitungssperre des Schmerzes, mittels elektrischer Impulse verändert. So das Ziel erreicht ist, erfolgt eine Stabilisierung des muskulären Korsetts. Die Verantwortung für diese Aufgabe heißt: auf zwei Beinen – stehen, gehen, laufen, sitzen, heben … Und das weitere ganze Leben lang. Die muskuläre Bauchdecke – also die Muskulatur vor der Wirbelsäule (im Bauch-, Brustbereich) und die lange Rückenmuskulatur, einschließlich der „ganz kleinen“ zwischen den Wirbelkörpern übernimmt dann Stützfunktionen. Das klingt vielleicht einfach, ist es aber nicht! Oder doch?
Doch – wir sind durch unsere Genetik mit allem Wichtigen ausgestattet, aber wir haben es verlernt, uns permanent zu bewegen. Schauen Sie sich bitte Kinder beim Spielen an. Keiner beeinflusst sie und sie laufen, springen, klettern und lachen, strahlen Freude aus, und das bereitet ihnen Freude. Und wir? Zu oft verharren wir in eingeübten Verhaltensmustern. Das Ziel ist einfach und schwer zugleich: Wir müssen zurück zur Normalität. Bewegung, Training des Kreislaufs und der Muskulatur, ist zwingend – packen wir es an!
Seite 20, Kompakt Zeitung Nr. 235