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Standpunkt Breiter Weg:
Alle verlieren mit Verlierer-Kindern

Thomas Wischnewski

Die Krankenkasse Barmer legte kürzlich den „Kinderatlas 2023“ mit alarmierenden Ergebnissen vor. Demnach sei im Jahr 2021 bei rund 16.300 Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren eine Sprachentwicklungsstörung festgestellt worden. Doppelt so viele wie 15 Jahre zuvor. Die Kinderförderung gehört zu den permanenten politischen Forderungen. Trotz Elterngeld, Anrecht auf Kita-Plätze und jeder Menge Unterstützungsangebote stellen wir nun Mängel bei der Sprachentwicklung fest. Sowohl Vokabular, Schwierigkeiten in der Satzbildung, bei der Grammatik und Probleme in der Ausdrucksfähigkeit sowie bei der Lautbildung treten vermehrt auf. Als wesentliche Ursache wird Bewegungsmangel ausgemacht.

 

„Viele Kinder können heute weder Hampelmann noch Purzelbaum. Dabei sind gut entwickelte, motorisch koordinative Fähigkeiten wichtig für Schule und Alltag“, sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen-Anhalt, Axel Wiedemann. Motorische Leistungen sind in vielerlei Hinsicht wichtig. Sie sind genauso eine bedeutsame Voraussetzung für die Hirnentwicklung wie anderes Lernen. Über Online-Sucht wird gesprochen, aber gleichzeitig die Ausweitung der Angebote gepriesen. Kinder werden heute in die digitale Welt hineingeboren. Sie können keine kritische Vergleichssicht entwickeln. Selbst junge Elterngenerationen können das nicht, weil Vielfalt und Zerstreuungsmöglichkeiten, die PC, Smartphone & Co. bieten, häufig Wege ersetzen. Wer die Mühe für Wege nicht aufbringen muss, erfreut sich der Bequemlichkeit.

 

Aber was bedeutet die Entwicklung für unsere Gesellschaft? Eine wachsende Zahl an Kindern mit Sprach- und Bewegungsmängeln wird die Schar derer befördern, die in geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Im Klartext heißt das, die demografische Entwicklung einer überalternden Bevölkerung wird zusätzlich von minderleistungsfähigen Kindern und Jugendlichen unterlaufen.

 

An politischem Bewusstsein scheint es nicht zu mangeln. Sonst gäbe es die zahlreichen Förderaktivitäten nicht. Nach den aktuellen Ergebnissen kommt aber eine gegenteilige Entwicklung heraus. Oder wäre es gar noch schlimmer, gäbe es gar keine Kinder-Förderprogramme? Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für die Natur des biologischen Wesens Mensch, wie es sich konstituiert oder wie es durch die Moderne beeinträchtigt wird. Schon die Pandemiemaßnahmen haben Kinder zu Verlierern gemacht. Der damals bestgemeinte Schutz lässt nun die Infektionskrankheiten bei den Jüngsten sprießen. Auch das steht im Barmer-Kinderatlas.

 

Förderung darf nicht ausschließlich als Erleichterung begriffen werden. Fördern ist mit eigenen Anstrengungen verbunden, für alle Seiten gleichermaßen, Eltern, Kinder und Betreuer. 16- bis 18-Jährige sind 63,7 Stunden pro Woche online. In dieser Zeit ist die Bewegung eingeschränkt und die reale soziale und emotionale Interaktion. Wir stecken bei allen Vorteilen auch in der Digitalfalle fest und nehmen damit unseren Kindern offenbar die Möglichkeit, sich allseitig zu entwickeln. Rufe nach mehr Bildung gleichen nicht aus, was in den frühen Lebensjahren versäumt wurde.

Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 236

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