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Mehr Musik oder weniger?

Von Thomas Wischnewski

Das musikalische Universum, das uns umgibt, hat sich verändert. Ein Streifzug durch die musikalischen Trends in Stadt und Land.

Die Redensart „der Ton macht die Musik“ kennt wohl fast jeder. Gemeint ist damit in der Regel eher eine angemessene Ansprache als tatsächlich Musik. Aber im eigentlichen, musikalischen Sinn kann der Satz natürlich auch verwendet werden. Wobei man für das musische Gesamterlebnis das Zusammenspiel von Tonerzeugern – also Instrumentalisten, unterschiedlichen Instrumenten, Übertragungsmedium und Hörern einbeziehen muss. Und dann steht vor allem häufig noch ein Komponist, der die Notenwerte für ein Stück aufgeschrieben hatte. Wie steht es also um das Musizieren in Sachsen-Anhalt, auf dessen historischem Boden Telemann, Bach und Händel wirkten, auch Richard Wagner von 1834 bis 1836 in Magdeburg.


Was vielleicht weniger wissen, dass manch bekanntes Volkslied eine Verbindung zum sachsen-anhaltischen Boden hat. „Süßer die Glocken nie klingen“ kommt zwar aus Thüringen, der Text stammt aber vom preußischen Königlichen Schulrat Friedrich Wilhelm Kitzinger, der 1816 in Lehnin geboren wurde und 1890 in Naumburg starb. Sein Grab befindet sich im sachsen-anhaltischen Droyßig. Die gängige Fassung des Liedes „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ stammt vom Komponisten Michael Praetorius (eigentlich Michael Schultheiß), der zwar 1571 in der Nähe von Eisenach geboren wurde, später aber im Magdeburger Dom prägend gewirkt hatte.


Wer heute Musik im Sinn hat, denkt sicher sofort an die eigenen musikalischen Vorlieben, weltbekannte Hits und Lieder nationaler bekannter Musiker bzw. konsumiert meistens – weil immer und überall dank Streaming verfügbar – Werke des Zeitgeistes oder Identifikationsweisen aus Jugendtagen. Doch wer verbindet das Wort Musik eigentlich mit Menschen und deren Namen, die hierzulande live und in Farbe Bühnen und Konzerthäuser bespielen. Immerhin gibt es Berufsorchester, Opern- und Operetten-Ensembles in Halle und in Magdeburg, es gibt die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie in Schönebeck, Konservatorien, Musikschulen, den bekannten Kammerchor Wernigerode, professionell wirkende Organisten, Musikpädagogen an den Musikschulen des Landes, Stationen des MDR-Musiksommers, das ungewöhnliche Cage-Projekt in Halberstadt mit dem längsten Musikstück der Weltgeschichte oder die Akteure, die den Biederitzer Musiksommer organisieren. Und so weiter. Wobei dies eher Beispiele für Vertreter des sogenannten klassischen Fachs sind.

Magdeburg galt in den Jahren von 1960 bis 1990 als musikalische Hochburg, was Rockbands und Auftrittsmöglichkeiten anging. Überhaupt waren die Unternehmungsmöglichkeiten für Angebote, die live dargeboten wurden, enorm groß. Kaum ein Klub, eine Bar, eine Bühne, auf der nicht mit solider Handarbeit am Instrument gespielt und Live-Stimmen präsentiert wurden.


Von diesem Potenzial ist nur noch eine Restmenge übriggeblieben bzw. neu entstanden. Die KulturFestungMark lädt regelmäßig zu Auftritten von Live-Bands ein. Studentenclubs waren vor der Deutschen Einheit Wohnzimmer-Spielstätten vieler Musiker und deren Fans. Heute gibt es nur noch sehr selten Live-Gigs in der Baracke, z. B. „Stoppok“ am 6. Dezember. Für ein jüngeres Publikum bietet die Factory als Szeneort Bands Auftrittsmöglichkeiten.


Der Landesmusikrat Sachsen-Anhalt e. V. vertritt als Dachorganisation über 120.000 musikausübende Menschen und etwa 50 Institutionen der Musik in Sachsen-Anhalt. Beim Deutschen Musikrat waren zuletzt 1,4 Millionen junge Menschen registriert, die sich in einer Musikschule eingetragen hatten. Allerdings sind die Zahlen unter Jugendlichen ab 14 Jahre rückläufig. Es kann sein, dass viele heute die Lernbeispiele und Musikkurse online nutzen. Durch die digitale Welt kann man heute auch Musik und Musiker entdecken, von deren Existenz man in früheren Zeiten vielleicht nie erfahren konnte.


Also irgendwie erscheint heute mehr Musik in der Luft zu sein als jemals zuvor. Dennoch darf man vor diesem Trend nicht die Augen davor verschließen, dass die auf Kleinkunstbühnen real fassbaren Musikakteure in der Region möglicherweise weniger werden. Ein ehemaliger Klavierlehrer des Magdeburger Konservatoriums sagte mal, dass er nur drei Menschen in Magdeburg aufzählen könne, die Musik studiert hätten, nicht als Musiklehrer arbeiten würden oder irgendeinen anderen Job ausüben würden und tatsächlich ausschließlich von ihrem musikalischen Handwerk leben könnten. Derzeit wird im Stadtrat gerade darüber diskutiert, ob das AMO Kultur- und Kongresshaus eine Zukunft hat. Natürlich kommt die rekonstruierte Hyparschale als künftiger städtischer Veranstaltungsort wieder dazu, aber langfristig sieht es nicht so aus, als würden die Flächen und Orte für mehr Konzerte und Liveauftritte zunehmen.


Musikschullehrer verzeichnen zwar immer noch ein großes Interesse für das Erlernen eines Instrumentes, vor allem bei Grundschülern, die in der Regel durch ihre Eltern motiviert wurden. Allerdings brächen Kinder den Unterricht oft schon nach wenigen Stunden ab, weil ihnen der Lernprozess als zu mühsam erscheint. Möglicherweise sind Eltern heute häufiger nachgiebiger und spornen ihren Nachwuchs seltener an, bei der Sache zu bleiben. Außerdem vermitteln Videos in Social Media oft genug, dass ein Lernprozess für jedes Instrument einem Kinderspaziergang gliche.


Musikpflege, Instrumentalisten und Musiklehrer sterben nicht aus, aber dennoch hat sich das Musikuniversum in den vergangenen 30 Jahren mächtig verändert. Die vielen engagierten Menschen, die sich als Vorbilder, Lehrer, Organisatoren, Initiatoren für Musik engagieren, sind die Triebkräfte für ein musikalisches Land mit musischen Leuten.

Seite 14, Kompakt Zeitung Nr. 240

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