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Stadtmensch: Der lange Atem

Von Lars Johansen

Corona ist vorbei. Die Epidemie ist Geschichte und das Einzige, was bleibt, sind die Risse in der Gesellschaft. Die verlaufen an sehr eigenwilligen Bruchstellen und haben tatsächlich dauerhaft etwas verändert. Impfen ist von seinem eigentlich positiven Image zu etwas Zweifelhaftem geworden. Ich kenne Menschen, die sich für Urlaube in den Tropen allerlei spritzen ließen, ohne je zu fragen, was es wohl im Einzelnen sei. Als es dann Impfungen gegen Corona gab, hinterfragten sie nicht nur, sondern weigerten sich strikt. Ich bin niemandem ernsthaft böse, weil er oder sie sich geweigert hat, ich habe nur nicht verstanden, warum man sich danach gesellschaftlich ausgeschlossen gefühlt hat. Irgendwie ist es verloren gegangen, dass jede Entscheidung immer Konsequenzen hat. Gefälschte Impfnachweise kursierten auf einmal und den Nutznießern war nicht einmal klar, was sie damit möglicherweise anrichteten.

 

Es gibt die Geschichte, dass die Schauspielerin Gene Tierney während ihrer Schwangerschaft an Röteln erkrankte und daher ihr Kind schwerstbehindert auf die Welt kam. Jahre später erzählte ihr ein weiblicher Fan, dass sie damals zu einer Autogrammstunde gekommen war, obwohl sie eigentlich mit Röteln infiziert war. Tierney lehnte danach jeden Kontakt mit ihren Fans ab. Ich will damit nicht sagen, dass Ungeimpfte daran eine Mitschuld tragen, aber dass sie bei Veranstaltungen nicht mit dabei sein konnten, das liegt auf der Hand. Bis heute tragen sie es dem Staat und den Geimpften nach. Längst ist auch widerlegt, dass eine große Zahl Geimpfter an der Impfung gestorben sei. Das Problem ist eher, dass man über Impftote, die es zweifelsfrei gab, nicht offen sprechen kann, ohne eine tiefe Befriedigung auf Seiten der Coronaleugner hervorzurufen.

 

Und das ist ein großes Problem, denn die Forschung an den Nach- und Nebenwirkungen wird überschattet von einer grundsätzlichen und ebenso grundsätzlich überflüssigen und dummen Debatte um die Existenz und Wirkmächtigkeit der Krankheit an sich. Die allermeisten Menschen sind sich einig darüber, dass es Corona gab, aber eine Schar vor allem lauter und omnipräsenter Zeitgenossen will einfach nicht verstehen, dass eine vernünftige Diskussion nicht aufgrund von Lautstärke entschieden wird. Vor allem fällt dabei etwas hinten herunter, was erst allmählich in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt. Es wird zwar langsam auch auf diesem Gebiet geforscht, aber eigentlich passiert da zu wenig.

 

Ich spreche von Long-Covid. Mittlerweile ist es als Krankheit erkannt, aber viele Ärzte wollen oder können es nicht als eigenständige Erkrankung erkennen und behandeln nur ein paar Symptome, von denen sie annehmen, dass sie der Krankheitsgrund sind. Long-Covid aber hat viele Gesichter und erinnert mich, als Laien, nicht nur darum an Multiple Sklerose, die ja auch als „Krankheit mit den vielen Gesichtern“ bezeichnet wird. Wissenschaftler sprechen auch bei Long-Covid von einer Art Autoimmunkrankheit, die viele Ausprägungen haben kann. Meistens sind die Symptome nach ein oder zwei Jahren verschwunden, aber auch das ist keine gesicherte Erkenntnis, sondern nur eine Beobachtung. Denn, da zu wenig geforscht wird, mangelt es an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und geforscht wird so wenig, weil das Krankheitsbild noch sehr neu ist und, wie schon gesagt, nicht immer erkannt wird. Das chronische Müdigkeits- beziehungsweise Erschöpfungssyndrom scheint genau so dazu zugehören wie Depressionen oder Virenerkrankungen. Es ist, als würde Covid schlummern und ab und zu erwachen, um dann den Körper zu manipulieren. Manchmal passiert über Monate nichts, dann schlagen irgendwelche Krankheiten scheinbar aus dem Nichts zu, die Psyche und Physis angreifen. Dazu kommt, dass den Betroffenen oft nicht geglaubt wird. Da wird das Belastungs-EKG zu einem Höllenritt, wenn man den Heimweg vom Arzt danach selbständig bewältigen muss, obwohl man an chronischer Erschöpfung leidet. Der Arzt tut das dann gerne mal als Hypochondrie ab, wenn er nicht wirklich empathisch ist.

 

Woher ich das weiß? Nein, ich bin nicht selbst betroffen, aber ich kenne Menschen, die es sind und diese spiegeln mir ihre wachsende Verzweiflung wider. Sie fühlen sich oft nicht ernst genommen und die Angebote an sie wirken auch so. Gerne bietet man da mehrwöchige Kuren an, nicht ohne zu versichern, dass diese vermutlich nicht viel nutzen werden. Aber man könne dort in Ruhe abchecken, was in Zukunft zu tun sei. Die Hoffnung, dass es von alleine wieder aufhört, ist zwar da, aber das dauert eben noch. Und die Forscher wissen zurzeit weder, warum es auftritt, außer dass vorher eine Corona-Erkrankung vorlag, noch warum ausgerechnet bei diesen Betroffenen und erst recht nicht, warum es irgendwann aufhört. Vielleicht ist ja auch dieses Aufhören nur ein zeitweiliges. Wer kann es sagen, wenn doch die Krankheit so jung ist? Und genau da liegt das Problem, es gibt zu wenig Erkenntnisse, auch weil zu wenig geforscht wird. Und zu wenig geforscht wird, weil Corona immer noch spaltet. Statt aufzuarbeiten, wird totgeschwiegen. Unzweifelhaft sind bei der Seuchenbekämpfung Fehler gemacht worden, aber genauso unzweifelhaft eben nicht nur. Das heikle Thema wird gerne umschifft und darunter leiden Menschen. Und das muss sich ändern, wir müssen etwas tun, denn die Betroffenen haben es verdient, dass die Forschung intensiviert wird. Vielleicht findet man im Verlauf dieser Forschungen ja überhaupt einen besseren Zugang zu den Gründen für Autoimmunkrankheiten. Vielleicht ist ja auch Multiple Sklerose nicht nur zu mildern, sondern irgendwann heilbar. Und nicht nur darum wäre es gut, wenn wie Long-Covid ernster nehmen würden.

 

Seite 7, Kompakt Zeitung Nr. 240

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