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„Nicht mal eine Mutkurve“

Rudi Bartlitz

Dominique Schaak, Sachsen-Anhalts einziger professioneller Automobil-Rennpilot, erlitt auf dem Sachsenring den ersten schweren Unfall seiner Karriere. „Ich werde weiter fahren“, sagt der 33-Jährige.

Und plötzlich ist es doch passiert. Seit 2005 steuert Dominique Schaak superschnelle Boliden über berühmte Asphaltpisten Europas – nie hat er körperlich dabei etwas abbekommen. Klar, die eine oder andere Karambolage gab es schon in der Hitze von Hunderten Gefechten mit der Konkurrenz. Aber selbst blieb der 33-Jährige, Magdeburgs einziger professioneller Automobil-Rennfahrer, von Schäden unversehrt – sieht man einmal von der einen oder anderen leichten Prellung ab. „Manchmal“, hatte er in der Vergangenheit bei Interviews immer gesagt, „kann ich das selbst so recht kaum glauben.“ Das symbolische Klopfen auf Holz gehörte wie selbstverständlich dazu.


Bis jener 10. September kam. Es ist früher Nachmittag auf dem Sachsenring, Ostdeutschlands bekanntester Rennstrecke. Der Lauf um die ADAC-GT4-Germany-Meisterschaft geht gerade in die 14. Runde. Der Tacho zeigt, zumindest für den Laien, respekteinflößende 220 km/h an. Schaak befindet sich mit seinem 476 PS starken Mercedes AMG gerade in einer Vollgas-Passage, dem schnellsten Teil der gesamten Strecke. „Wo eigentlich nichts passiert, nichts passieren kann“, wie er im Nachhinein erzählt. In einer leichten Biegung („nicht mal eine Mutkurve“) bricht der Wagen dann doch urplötzlich hinten links weg – Schaak schießt nach rechts, direkt frontal in die Leitplanke. Wird auf die Bahn zurückgeschleudert. Über Funk kann er zwar noch sein Team über den Crash informieren, ehe er kurz das Bewusstsein verliert. All das quasi vor den Augen seiner Verlobten Mandy und Töchterchen Mia, die wie immer an der Strecke dabei sind.


Das Rennen wird kurzzeitig unterbrochen. Ein medizinisches Team ist schnell zur Stelle, bringt den Verletzten ins Rettungszentrum am Sachsenring, später ins Krankenhaus nach Chemnitz. „Schwerwiegende körperliche Schäden wurden dort nicht festgestellt“, so Schaak. „Alles im allem habe ich wohl Glück im Unglück.“ Stauchungen und Schwellungen im Hals- und Rückenbereich wurden diagnostiziert. Dazu kam eine leichte Gehirnerschütterung. Er sei „sehr froh“, sagt er im Nachhinein, dass es heute im Automobilsport diese hohen Sicherheitsstandards gebe. Aber was konkret zu dem Unfall geführt habe, was genau passiert ist, das könne er sich bis heute nicht so richtig erklären, rätselt er. „Da laufen die Untersuchungen noch.“ Am ehesten komme ein technischer Fehler am Auto in Frage, auch ein Reifenplatzer sei nicht ausgeschlossen. „Vielleicht habe aber auch ich einen Fehler gemacht. Man sagt ja immer, jeder Rennfahrer hat einen schweren Unfall in seiner Karriere. Jetzt war ich eben dran.“


Zwei Tage hat er es im Krankenhaus ausgehalten – und sich dann selbst entlassen. „Den Rest kriege ich hier in Magdeburg mit meinem Medi-Partner Helios besser in den Griff.“ Drei, vier Tage plagten ihn noch Kopfschmerzen. Inzwischen trainiert Schaak schon wieder leicht. „Ich glaube, es ist am besten, nach solch einem Unfall schnellstmöglich ins Auto zurückzukehren, damit Momente des Zweifels gar nicht erst aufkommen.“ So wie es Skispringer nach einem Sturz so schnell wie möglich wieder auf die Schanze zieht. Eines steht für Schaak felsenfest: „Ich will weiter Rennen fahren. Ich bin jetzt 33, ans Aufhören denke ich mit keiner Faser. Das ist mein Beruf. Wie viele Unfälle, weit schwerere als ich hatte, haben andere, wie beispielsweise Michael Schumacher, in ihrer Karriere erlitten …“


Zumal sowohl sein Team, Eastside-Motorsport aus dem sächsischen Crimmitschau, als auch die Großzahl seiner Sponsoren (Inzwischen sind es stattliche 52, darunter auch diese Zeitung) haben ihm nach dem Crash ihre uneingeschränkte Unterstützung signalisiert. Inzwischen wird schon an Plänen fürs nächste Jahr gebastelt. Unter anderem ist ein Start in der höher dotierten GT3-Serie im Gespräch. Aber noch warten zwei Aufgaben in dieser Saison: „Mitte Oktober steht auf dem Hockenheimring das Saisonfinale in der ADAC GT4 auf dem Programm. Ich möchte das Jahr vernünftig abschließen, auch wenn sportlich sicher nicht mehr allzu viel zu reißen ist.“ Trotz des Unfalls, glaubt er, habe er mit seinem Teamkollegen Phi-lipp Gogollok „insgesamt einen guten Job gemacht“. Viermal sei man in der vielleicht härtesten GT4-Serie der Welt in die Punkte gefahren. Am Ende werde man sicher irgendwo im Mittelfeld landen, prognostiziert er.


Auch die Erfüllung eines großen Kindheitswunsches stand in diesem Jahr noch auf dem Programm. „Schon als Jugendlicher, als ich Kart-Rennen gefahren bin, habe ich davon geträumt, einmal in der US-amerikanischen Nascar-Serie mitzumachen“, gesteht er. „Dazu musst du allerdings nach Amerika gehen, haben sie mir damals gesagt. Aber jetzt ist Nascar mit seiner Serie nach Europa gekommen. Und einziger Deutschland-Termin ist meine Heimatstrecke in Oschersleben. Als man mich gefragt hat, ob ich quasi als Lokalmatador mitmachen möchte, habe ich natürlich sofort zugestimmt. Manchmal gehen Träume eben doch in Erfüllung.“


So optimistisch und zuversichtlich sich Schaak alles in allem gibt, ein paar winzige Zweifel, das ist im Gespräch unüberhörbar, sind nicht so einfach wegzuwischen. „Ich muss sicher abwarten“, meint er nachdenklich, „welche Gedanken mir in dem Moment durch den Kopf gehen, wenn ich erstmals wieder den Helm für ein richtiges Rennen aufsetze.“

Seite 28, Kompakt Zeitung Nr. 241

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