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Wer sozialen Wohnraum will,
muss Vorschriften überdenken

Auf dem Wohnungsmarkt gibt es viel Bewegung. Einerseits sind Anforderungen an Energieeffizienz und Wärmeversorgung unter Nachhaltigkeitsaspekten gestiegen, andererseits hält der Zustrom von Menschen nach Deutschland an. Welche Einflüsse haben diese Bedingungen auf ein kommunales Wohnungsunternehmen wie die Magdeburger WOBAU? Thomas Wischnewski sprach mit dem Geschäftsführer des größten sachsen-anhaltischen Wohnungsunternehmens, Peter Lackner, über flankierende Energie- und Bürokratievorschriften, Perspektiven und Zukunftsprojekte des städtischen Wohnungsunternehmens.

Peter Lackner, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mbH; Foto: Andreas Lander

KOMPAKT: Herr Lackner, werfen Sie bitte mal einen Blick auf das Jahr 2024. Was hat sich die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg im kommenden Jahr an Projekten vorgenommen?
Peter Lackner: Wir werden 2024 insgesamt 35 Millionen Euro investieren. Im Mittelpunkt steht beispielsweise die weitere komplexe Sanierung in der Beims-Siedlung. In Nord, in der Regierungsstraße wird es eine umfassende Strangsanierung der Wasser- und Heizungsleitungen geben. Der gesamte Wohnungsbestand ist der Wert des Unternehmens. In die Erhaltung und Modernisierung unserer Immobilien investieren wir kontinuierlich, im Interesse unserer Mieter und weil wir eine Verantwortung gegenüber dem kommunalen Eigentum haben.


In den vergangenen Jahren gab es einige bedeutende Neubauprojekte. Hat sich die WOBAU da etwas Neues vorgenommen?
Derzeit sind wir dabei, den Zwischenbau im Nordabschnitt Breiter Weg 118 zu überplanen. Das ist eine komplizierte Baulücke, bei der die Einfassung an die Nachbarbauten, der Brandüberschlag und die Sichtachsen berücksichtigt werden müssen. Der Nordabschnitt vom Breiten Weg hat sich gut entwickelt und ich bin zuversichtlich, dass wir die passenden Mietinteressenten finden. Inzwischen liegt auch die Förderzusage zur Fassadensanierung für wichtige Erhaltungsmaßnahmen des Logenhauses in der Weitling-straße vor. Wir werden im kommenden Jahr beginnen, diese Erhaltungsmaßnahmen umzusetzen. Ein weiteres Thema wird die Verbesserung der Energiebilanz unserer Wohngebäude sein.


Können Sie dafür Beispiele benennen?
Im Hermelinweg werden wir ein typisches Siedlungshaus aus den 40er Jahren modernisieren und die Energiebilanz auf den gesetzlich vorgeschriebenen Standard verbessern. Das Gebäude wird mit einer Photovoltaikanlage und Wärmepumpe ausgestattet und die Fenster- und Türelemente werden komplett erneuert, sodass wir die vorgeschriebenen Werte einhalten. Die Investitionskosten sind sehr erheblich und erfordern eine deutliche Mietsteigerung für die Refinanzierung. Mit neuen energetischen Vorgaben brauchen wir für die Umsetzung schätzungsweise Kredite in einer Größenordnung von etwa 300 Millionen Euro. Dabei muss auch bedacht werden, dass die Kredite für die gesetzlichen Auflagen zur Wärmedämmung aus den 1990er Jahren noch gar nicht komplett abbezahlt sind. Die Finanzierung der gesetzlich festgelegten energetischen Modernisierungsmaßnahmen stellt die Wohnungswirtschaft vor große Herausforderungen. Die festgeschriebene Kappung der Mieterhöhung von 50 Cent/qm wird zur Finanzierung nicht allein ausreichen, insofern hoffen wir, dass der Bund auch entsprechende Förderprogramme zur Verfügung stellt.


Also müsste man annehmen, dass die politischen Zeitvorgaben an den realistischen Möglichkeiten vorbeigehen?
Wir sind mit unseren rund 18.800 Wohnungen und 460 Gewerbeeinheiten das größte Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt. Wir können sicher einiges stemmen, aber was in den vergangenen zwei Jahren alles für zusätzliche Regelungen und Gesetze auf die Wohnungswirtschaft zugekommen ist, das ist schon enorm. Inzwischen schicken wir allen Mietern monatliche Verbrauchsmeldungen über die Wärmeenergie. Das erzeugt einen erheblichen Aufwand, der neben der Arbeitszeit unserer Mitarbeiter auch erhebliche Kosten verursacht.

 

Dazu kommt doch auch noch die CO2-Abgabe.
Ja. Die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg bzw. unsere Mieter sind da in diesem Jahr mit rund 500.000 Euro belastet. In den kommenden Jahren steigt die CO2-Abgabe dann kontinuierlich weiter und wird auf rund eine Million Euro pro Jahr im Jahr 2026 ansteigen. Sollte die Müllheizverbrennung für unsere Magdeburger Fernwärmeversorgung per Gesetzesdefinition nicht mehr als ökologische Wärmeenergieerzeugung anerkannt werden, vervielfacht sich der Betrag nochmal.


Wie steht es um die Höhe der Mieten in Magdeburg?
Ich kann zunächst nur für die WOBAU sprechen. Aufgrund unserer sozialen Verantwortung und des relativ hohen Wohnungsanteils in Magdeburg haben wir einen positiven Einfluss auf die Stabilität der Mieten. Unser Durchschnittspreis liegt über alle Wohnungen gerechnet bei 5,30 Euro Kaltmiete. Da haben wir gemeinsam mit einigen anderen ostdeutschen Städten die günstigsten Mieten. Ähnlich ist die Preissituation in Halle und Schwerin. In Chemnitz liegt die Durchschnittsmiete bei 5,80 Euro. In Rostock liegt das Mietmittel schon über unserem Preis, in anderen Städten sogar zwei Euro darüber. In Magdeburg gibt es neben der Wobau auch noch 12 Genossenschaften, die den Wohnungsmarkt mit günstigen Mieten stabilisieren.


Wie hat sich die Unterbringungssituation für Migranten aus aller Welt in Magdeburg entwickelt und hat das Auswirkungen auf das Angebot?
Die Unterbringung von Menschen, die zu uns kommen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Als Wohnungsunternehmen sind wir ein wichtiger Mosaikbaustein im Rahmen von Integrationsverantwortung. Es ist in manchen Fällen kulturell unterschiedlicher Vorstellungen nicht einfach, eine Vermittlerrolle zu leisten. Es kann schon bei unterschiedlichen Tagesabläufen und Schlafenszeiten Differenzen geben. Hier leisten unsere Kollegen viel und wir betreiben einen hohen Aufwand in der Sozialarbeit. Solche Leistungen sind sicher oft nur deshalb denkbar, weil wir als städtisches Unternehmen eine soziale Verantwortung für das Leben in den Quartieren übernehmen.


Und wie sieht es beim Wohnungsangebot aus? Da ist oft von fehlenden Wohnraumangeboten die Rede.
Aktuell haben wir für unsere Wohnungen eine sehr gute Vermietungslage. Das liegt natürlich auch an der Bereitstellung unserer Wohnungen für Ukrainer, die vor dem Krieg aus dem Süden des Landes geflohen sind. Allerdings wissen wir nicht, wie lange diese Menschen noch hier sein werden. Kommt die Intel-Ansiedlung, wird der Bedarf an Wohnraum steigen und sich das Angebot natürlich verknappen. Magdeburg ist in der komfortablen Lage, noch über rund 11.000 freie Wohnungen überwiegend im Bereich Südost zu verfügen. Allerdings haben viele Wohnungen einen Sanierungsbedarf und sind deshalb derzeit nicht auf dem Wohnungsmarkt. Außerdem verfügt die Stadt noch über bebauungsfähige Freiflächen. Wir haben also noch Potenzial, auf einen steigenden Bedarf zu reagieren, vorausgesetzt, die Baukosten und Zinsen lassen ein wirtschaftliches Handeln zu.


Aufgrund vieler Vorschriften für Energieeffizienz und Brandschutz werden die Baukosten wohl kaum sinken.
Da muss sich die Politik positionieren. Wer sozialverträglichen, preiswerten Wohnraum fordert, muss die Vorschriften und Förderung überdenken, dass für preiswerte Wohnungen mit bezahlbaren Mitteln gebaut werden kann.


Da gab es doch schon politische Vorschläge, mehr in die Höhe zu bauen.
Es existiert eine Hochhausrichtlinie. Bis zu einer Höhe von 21 Metern sind die Kosten für Bau- und Sicherheitsvorschriften noch überschaubar. Darüber hinaus steigen die Kosten für die Anforderungen für Brandschutz und Rettungswege enorm. Gegenüber dem normalen Wohnungsbau sind solche Gebäude wirtschaftlich kaum darstellbar. Und bedenken Sie, dass höhere Häuser eine andere Energiebilanz haben. Wegen ihrer Höhe sind Hochhäuser auch in der Heizperiode stärkeren Windlasten mit kühlerer Luft ausgesetzt und die für Photovoltaik nutzbare Dachfläche ist pro Quadratmeter Wohnfläche geringer als auf anderen Geschoßwohnungsbauten. Dementsprechend steigt der Aufwand fürs Dämmen bzw. die Heizkosten. Realistisch rechnen sich Hochhäuser über 21 Meter nur in Innenstädten großer Metropolen, in denen hohe Mieten erzielt werden können.

Seite 10, Kompakt Zeitung Nr. 246, 10. Dezember 2023

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