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Alle in die Halle

Von Rudi Bartlitz

Mit Einführung der Baller League soll der Fußball in Deutschland „revolutioniert“ werden. Was verbirgt sich dahinter: eine Spinnerei oder doch eine erste Gefahr für den traditionellen Sport?

Vergiss Hallenfußball, das ist ein absolutes Auslaufmodell. Mit dem lockst du höchstens noch Altherren-Vertretungen und Jugendmannschaften. So lauten Leitsätze, die seit über einem Jahrzehnt nahezu unwidersprochen im Raum stehen. Allerdings: Hallenfußball war früher in Deutschland durchaus ein Ding. Man denke nur an Magdeburg, wo der Kroschke-Cup ein Renner war. Noch prominenter ab 2009 in der GETEC-Arena der Hallen-Pokal der Frauen, der sogar als offizielle Meisterschaft unter dem Dach galt. 2015 war dann Schluss damit. Vom Pape-Cup, der nach wie vor Jahr für Jahr Tausende zu einem U-15-Turnier lockt, ganz zu schweigen …

 

Bis 2001 gab es in Deutschland sogar den offiziellen DFB-Hallenpokal der Männer (zeitweise auch Hallen Masters genannt), bei dem auch die Bundesligisten aufliefen. Er war, rein sportlich gesehen, zur Überbrückung der Winterpause konzipiert. Nicht zu unterschätzen dabei: der Entertainment-Faktor. Bei eisigen Außentemperaturen saß man unterm warmen Dach, auf der Platte wurden auf engstem Raum raffinierte Kabinettstückchen geboten – und das beliebte Bier fehlte eben so wenig. Irgendwann war auch das vorbei. Nachdem die Winterpause gekürzt worden war, stellte der DFB den Wettbewerb schließlich ein. Heute sind Teilnahmen von Profiklubs beim berühmten Budenzauber nur noch Ausnahmen. Die Intensität ist höher, dadurch auch das Risiko für Verletzungen bei ohnehin schon eng getakteten Spielplänen. Das will im Milliardengeschäft niemand.

 

Nun aber deutet sich an, dass dies nicht für alle Zeiten so bleiben muss. Baller League heißt das neue Zauberwort. Sie hat hierzulande nunmehr den Spielbetrieb aufgenommen. Und weil wir im Zeitalter der Marketing-Übertreibungen leben, wurde sie als nichts Geringeres als eine „Revolution im Fußball“ verkauft. Dahinter stecken, zumindest nach außen, die Köpfe der beiden 2014er Weltmeister Mats Hummels und Lukas Podolski. Die Macher wollen, wie sie sagen, eine neue Ära des Fußballs einläuten. Mit Amateurspielern. Erstaunlich: über 16.000 (!) hatten sich beworben. Auf einem Indoor-Kleinfeld treten die bunt zusammengewürfelten Teams gegeneinander an. Jedes hat einen Prominenten als Manager. Mit dabei sind zum Beispiel Kevin Prince Boateng, Christoph Kramer oder Nationalspielerin Jule Brand.

 

Der Fußball soll im Vordergrund stehen, wieder nahbar gemacht werden. Weniger Langeweile über 90 Minuten, alles schneller und komprimierter. Gewissermaßen Fußball, aufbereitet für die Generation Z, für die TikTok das eigentliche Zuhause ist – und nicht das Stadion. Die Spiele können die Zuschauer nicht nur bei Twitch oder TikTok verfolgen, sondern auch im linearen Fernsehen: ProSieben hat sich die Rechte gesichert und überträgt jeden Montag live auf seinem Spartensender ProSieben Maxx. Warum am Montag? Na, weil die Konkurrenz am Wochenende mit dem klassischen Fußball zu groß ist. Noch jedenfalls.

 

Die Abkehr vom klassischen eineinhalbstündigen Großfeldformat ist nicht ganz neu. Im vergangenen Jahr rief der ehemalige spanische Weltklasseverteidiger Gerard Piqué die sogenannte Kings League ins Leben. Auch hier wird auf einem kleineren Kunstrasenfeld in der Halle gezockt, hier spielen große Namen wie Iker Casillas oder Sergio „Kun“ Agüero jedoch auch selbst mit. Von neuen Regeln und neuer Technik scheint Pique nicht genug zu bekommen: Zu Spielbeginn liegt der Ball wie beim Wasserball in der Feldmitte, die Mannschaften rennen von der Grundlinie auf ihn zu, jedes Team kann so oft Spieler tauschen, wie es möchte, der Schiedsrichter trägt eine Kamera am Körper, die Teams können Karten ziehen, sogenannte „Geheimwaffen“. Dann zählt zwei Minuten lang jedes erzielte Tor doppelt, oder ein Spieler des Gegners wird für zwei Minuten des Feldes verwiesen.

 

Der Erfolg der Kings League mit ihren zirkusähnlichen Extraregeln ist groß. Die Playoffs waren ausverkauft – obwohl sie nicht etwa in einer Turnhalle stattfanden, sondern im legendären Camp Nou in Barcelona. Mehr als 90.000 Menschen pilgerten dafür ins Stadion. Auch die Organisatoren der Baller League liebäugeln mit einer Finalrunde in einem richtigen Fußballstadion. Hinter Hummels und Podolski stecken der ehemalige DAZN-Chef Thomas de Buhr und der Filmemacher Felix Starck. Ihre Erkenntnis: Die Kings League hat gezeigt, dass sich mit Hallenfußball große Sponsoren und Namen begeistern lassen. Zumal die Fernsehrechte in Zeiten, in denen die Übertragungsorte des Profifußballs einem Flickenteppich gleichen, verhältnismäßig günstig und leicht zu vermarkten sein dürften. Auch in der Baller League greifen Zufallsregeln in den Verlauf jedes Spiels ein, etwa wenn für ein paar Minuten nur drei gegen drei statt sechs gegen sechs gespielt wird. So wird das schnelle Spiel noch schneller – und soll trotzdem sportlich seriös bleiben. „Wir werden den Fußball nicht ins Lächerliche ziehen“, sagt Starck.

 

Es sind die Jungen, auf die, egal ob in Spanien oder Deutschland, der Fokus gerichtet ist. Sie, deren Aufmerksamkeitsspanne vermeintlich nicht mehr für die Bundesliga ausreicht, sollen die Zuschauerschaft in die Höhe treiben. Mit ihren Überlegungen dürften die Macher nicht falsch liegen; selbst Olympia geht mit der Hinwendung zu immer mehr Mode- und Trendsportarten diesen Weg. Vom E-Sport ganz zu schweigen. Die Baller League hat gerade erst angefangen, da macht sich schon eine Konkurrenzliga in Deutschland bereit. Die Icon League von Real-Madrid-Profi Toni Kroos und Influencer Elias Nerlich (alias Eligella) ist für den Sommer angekündigt. Der Hamburger Sport- und Medienwissenschaftler Thomas Horky und sein Kollege Andreas Hebbel-Seeger beschreiben diese Entwicklung als „Virtualisierung des Sports“.

 

Wie reagiert die „richtige“ Bundesliga nun auf all den neumodischen Kram? Könnten diese Gebilde für sie eventuell zu einer Gefahr werden? Dass sie mit ihren Milliardensummen, ihrem Training hinter verschlossenen Zäunen, gesteuertem und abgeschottetem Informationsfluss sowie mediengeschulten Spielern die von den „Neuen“ praktizierte Nähe zum Publikum immer weniger zulässt, könne für das Geschäftsmodell Bundesliga schon absehbar zum Problem werden, sagt Medienwissenschaftler Horky. Mehr als andere Sportarten sei der Profifußball durch Fernsehgelder groß geworden, den Zuschauern müsse man mehr bieten. „Kameras in den Umkleidekabinen sind im US-Sport schon länger gang und gäbe, in der Bundesliga werden sie inzwischen wenigstens diskutiert.“ Intern, so wird hinter vorgehaltener Hand geflüstert, sollen sich Manager von Bundesliga-Klubs schon mit dem neuen Geschäftsmodell beschäftigen.

Seite 41, Kompakt Zeitung Nr. 249

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