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Gedanken- und Spaziergänge im Park: Vergessen, Angst und Misstrauen

Paul F. Gaudi

 

Bei der diesjährigen Verleihung der Oscars war der große Gewinner der Film „Oppenheimer“, der sieben Oscars erhielt. Der Film hat vieles großartig in Szene gesetzt, doch für uns Alte brachte er wenig neue Erkenntnisse. Wir hatten in unserer Jugend mit Begeisterung das Buch „Heller als tausend Sonnen“ von Robert Jungk (1913-1994) gelesen, das 1956 erschien und damals ein Bestseller war. Es trägt den Untertitel „Das Schicksal der Atomforscher“ und beschäftigte sich neben vielen anderen namhaften Physikern auch ausgiebig mit der Person Robert Oppenheimers und seinem Weg zur Atombombe. Aber der Film hat auch manches unerwähnt gelassen. Es kommen viele Physiker darin vor, nicht aber die jüdische Physikerin Lise Meitner, die mit Otto Hahn in Berlin die Radioaktivität erforschte und radioaktive Isotope entdeckte. 1938 floh sie aus Deutschland ins Exil nach Schweden. Am 11. Februar 1939 veröffentlichte sie mit ihrem Neffen Otto Frisch in der Zeitschrift „Nature“ einen Artikel, der die physikalische Erklärung für diese Phänomene lieferte. Die Veröffentlichung löste eine außerordentliche Resonanz unter den Naturwissenschaftlern aus, weil sich daraus ergab, dass die Kernspaltung eine neue Energiequelle von bisher unbekannter Größenordnung erschließen konnte – die Kernenergie. Im Film kommt Meitner nicht vor.

 

Die anderen Vergessenen sind die allerersten Opfer des ersten Atombombentests Trinity, der am 16. Juli 1945 in New Mexico erfolgte. In einer Entfernung von etwa 40 km war die Gegend auch von tausenden mehrheitlich indianisch stämmigen Menschen und Latinos besiedelt. Keiner dieser Einwohner wurde gewarnt oder evakuiert. Die Druckwelle der Kernexplosion zerstörte viele Fens-ter. Den Leuten wurde später gesagt, dass ein Munitionsdepot explodiert wäre. Große Mengen radioaktiven Materials wurden über zwölf Kilometer in die Atmosphäre geschleudert und gingen dann später in einem weiten Umkreis nieder. Dazu muss man wissen, dass es dort keine Wasserleitungen gab, sondern die Menschen das Regenwasser in Zisternen sammelten und zur Nahrungszubereitung benutzten! Die Folge waren sehr viele Krebserkrankungen in dieser Gegend und dadurch verursachte Todesfälle. Jahre später seien Männer in Schutzanzügen gekommen, hätten Bodenproben genommen und gesagt, dass sie von hier wegziehen sollten, aber nicht wohin. Im Gegensatz zu den Opfern späterer Atomversuche in den Bundesstaaten Nevada, Utah und Arizona bekamen diese ersten Atomopfer bis heute keine Entschädigungen und kämpfen immer noch darum. „Wir waren Versuchstiere“, sagte eine Frau, die ihre Krebserkrankung überlebt hat. „Aber Versuchstiere werden hinterher wenigstens untersucht. Um uns hat sich keiner gekümmert.“

 

Mit der AfD gegen „Taurus“

 

Zwei bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung angestellte Politikwissenschaftler erstellten kürzlich eine Studie über die kommunale Zusammenarbeit anderer Parteien mit der AfD. Bezeichnenderweise nur Ostdeutschland betreffend! „Es ist erstaunlich, wofür alles Steuergelder ausgegeben werden“, sagte Gerd dazu. 121 konkrete Fälle solcher Kooperationen in Ostdeutschland von Sommer 2019 bis Ende 2023 wurden recherchiert, wobei alle Parteien, von der CDU bis zu den Linken bei Bedarf mit der AfD kooperierten. „Eigentlich ist das doch eine sach- und problemorientierte Realpolitik“, meinte ich dazu. Aber nicht für die Autoren dieser Studie, denn sie resümierten: „Eine Kooperation mit der extremen Rechten auf kommunaler Ebene ist brandgefährlich. Damit wird der Normalisierung extrem rechter Parteien und ihrer Positionen Vorschub geleistet. Was es eigentlich bräuchte, ist eine Brandmauer.“ „Eigentlich ist es ein Jammer“, meinte Gerd, „dass die Studie schon fertig ist. Wie interessant hätte sie werden können, wenn die Autoren auch die Taurus-Abstimmung im Bundestag am 14. März mit einbezogen hätten. Da stimmten die SPD, die FDP, die Grünen und die Linken zusammen mit der AfD gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Da gab es kein Gerede von irgendeiner Brandmauer. Anscheinend gilt die meist nur für die CDU und nicht für die SPD, die Grünen oder die Linken, wenn es ihre Interessen betrifft.“

 

Die Mitte der Gesellschaft?

 

Die öffentlichen Empörungen über das sogenannte „Geheimtreffen“ ebben allmählich ab und sogar Mitarbeiter von Correctiv sagten im TV von manchen Ergebnissen ihrer Beobachtungen, es so nicht gesagt zu haben. Politiker sprachen über diese Demonstrationen als von der „Mitte der Gesellschaft“ und von der „schweigenden (?) Mehrheit“. Diese Behauptungen wurden nun von zwei Soziologen der Universität Konstanz in einer Studie kritisch hinterfragt. Ende Januar erfolgten Befragungen bei Teilnehmern auf drei Protestveranstaltungen in Konstanz, Singen und Radolfzell. Dabei zeigte sich, dass sich 65 Prozent der Teilnehmer politisch links der Mitte einordnen und 5 Prozent links außen. Lediglich 25 Prozent erklärten sich für „Mitte“ und nur 5 Prozent für Mitte rechts. Dem entsprachen auch die Auskünfte darüber, welche Partei die Demonstranten bei der letzten Bundestagswahl gewählt haben: Lediglich 8 Prozent hätten CDU und nur 3 Prozent die FDP gewählt! Dagegen wählten 61 Prozent die Grünen, 18 Prozent die SPD und 8 Prozent die Linken. Selbst wenn man nun argumentieren würde, dass der Süden Baden-Württembergs nicht Deutschland repräsentiert – das Narrativ von den Demonstranten als „Mitte der Gesellschaft“ dürfte wohl falsch sein. Auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA ergab, dass lediglich 37 Prozent der Deutschen diese Demos unterstützen.

 

Die Furcht vor einem Wahlerfolg der AfD hat sich durch die Demos nicht vermindert. Also recherchierte der Bayrische Rundfunk, dass etwa 100 Mitarbeiter der AfD-Bundestagsabgeordneten in Organisationen aktiv sind oder waren, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Das kann wohl sein. Aber hat man einmal die Fraktionen der Linken oder der Grünen darauf untersucht? Kaum. „Von deren Angestellten weiß man da wenig“, sagte Gerd, „aber von den Abgeordneten schon. Joschka Fischer stellte als Außenminister 1999 Joscha Schmierer als Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amts ein. Schmierer war 1973 Mitbegründer der Kommunistischen Liga Westdeutschlands (KBW), einer maoistischen Organisation. 1978 führte er im Dezember eine KBW-Delegation nach Kambodscha, um die Solidarität mit dem Diktator Pol Pot auszudrücken! Unter Außenminister Steinmeier blieb er noch bis 2007 im Amt. Der Gipfel aber war der Abgeordnete der Linken Diether Dehm, von dem Biermann behauptet, dass er ein Stasi-IM war. Er hatte den RAF-Terroristen Christian Klar, der wegen neunfachen Mordes verurteilt und nach 26-jähriger Haft 2008 entlassen wurde, jahrelang beschäftigt. Das sind nur die auffälligsten Anstellungen. Bei gründlicher Recherche würde man vermutlich mehr finden.“

 

Ein Mahnmal des Misstrauens

Doch der „Feind“ unserer Politiker scheint nicht nur rechts zu stehen. Wir schätzen eigentlich unseren Landesvater Haseloff sehr, auch wegen der maßvollen Art, wie er die Dinge beurteilt. Deshalb verwunderte es Gerd, was er über das Bündnis Sahra Wagenknecht in der Presse äußerte. Laut der Zeitung sagte Haseloff, „dass wir neuerdings eine nationale, sozialistische, mit einem Personenkult verbundene Partei im Rennen haben.“ Es dürfte ihm bewusst sein, dass die Aneinanderreihung der beiden Adjektive bei den Lesern die Assoziation an „nationalsozialistisch“ hervorruft. Das ist doch recht böse und wird der neuen Partei nicht gerecht. Dass Haseloff als ehemaliger DDR-Bürger das Adjektiv „sozialistisch“ nicht sehr schätzt, kann man verstehen. Aber was er gegen das Wort „national“ hat – das ist nicht zu begreifen. Gerd glaubt, dass kaum ein anderes Volk der Erde alles Nationale so wenig schätzt, wie das von deutschen Politikern oder Journalisten oft praktiziert wird. Seine Nation – oder darf man noch Vaterland sagen? – wertzuschätzen und sich mit ihr zu identifizieren ist für die meisten Menschen unseres Erdballs eine Selbstverständlichkeit, nur bei uns scheint es verpönt zu sein.

 

Anscheinend haben unsere Politiker Angst vor dem Volk, dem „großen Lümmel“ (H. Heine). Es ist geplant, vor dem Reichstag einen 150 Meter langen, zehn Meter breiten und zweieinhalb Meter tiefen Graben zu ziehen! Dazu kommt noch ein 2,5 Meter hoher Zaun. Besucher werden künftig nur durch einen Tunnel zum Eingang des Reichstages gelangen. Das gab es weder zur Kaiserzeit noch in der viel turbulenteren Weimarer Republik. Auch die Volkskammer im Palast der Republik der DDR war leicht zugänglich. Wir konnten die Nachricht kaum fassen und sind darauf über Google Earth mit der Funktion Street View durch andere europäische Hauptstädte „gewandert“. Fazit: Überall kommt man bequem fußläufig bis an die Parlamente. Lediglich für Autos gibt es hier und da Hindernisse wie Poller oder kleine Schranken. Einen solchen Burggraben wie in Berlin, der den direkten Zugang verhindern soll, haben wir nirgendwo gesehen. Ein Mahnmal des Misstrauens und der Entfremdung!

 

Auf dem Rückweg zitierten wir den „Osterspaziergang“ aus Faust. Alle mussten wir ihn in der Schule auswendig lernen und viele können ihn immer noch rezitieren. Ob er wohl heute auch noch Schulstoff ist?

 

 

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

 

Seite 8, Kompakt Zeitung Nr. 252, 20. März 2024

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