Standpunkt Breiter Weg: Unliebsame Äußerungen ertragen

„Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.” Dieser Passus aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sorgt aktuell für Diskussionsstoff. Noch gibt es dazu kein Gesetz. Aber ohne Gefahr ist die Formulierung nicht, wenn darüber ein Gesetz gemacht wird.

 

Wer entscheidet über falsche Tatsachenbehauptungen? Überhaupt muss gefragt werden, ob eine Aussage Tatsache oder Meinung ist. Den scheidenden Bundeswirtschaftsminister als „Schwachkopf“ zu bezeichnen, muss von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Wer wollte Robert Habeck psychiatrisch untersuchen lassen? Etwa ein Gericht, um das Gegenteil einer Tatsachenbehauptung zu beweisen? Wenn eine neue Regierungskoalition so ein Vorhaben in die Welt bringen möchte, legt sie Hand an die Verfassung und damit an das demokratische Recht zur freien Meinungsäußerung. Noch bedenklicher ist allerdings, die „staatsferne“ Medienaufsicht als eine Art Überwachungsinstanz einsetzen zu wollen. Schon die Vorstellung über eine wie auch immer gemeinte Meinungsüberwachung legt Hand an den Geist des Grundgesetzes. Demokratie braucht Meinungsfreiheit, auch solche Meinungen, die einer Regierung unliebsam sind. Wer hier Bürgern Einschränkungen auferlegen will, wendet sich gegen demokratische Grundrechte. Das gilt übrigens für alle Seiten, auch für einen amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

 

Wir müssen konstatieren, dass in den vergangenen Jahren unliebsame Meinungen in einer Weise etikettiert wurden, dass ein Empfinden zunimmt, unter dem eine wachsende Anzahl von Bürgern sagt, sie trauten sich manches nicht mehr öffentlich zu sagen. Solche Erscheinungen kennen wir gut aus der DDR-Zeit.

 

Wer allerdings sogenannte soziale Medien für demokratische Institutionen hält, liegt auch schief. Demokratische Einrichtungen, allen voran die Parlamente, haben Regeln. Solche über die Redezeit, wer zu welchem Thema spricht, dass eine Debatte beantragt werden muss etc. All das gibt es in den digitalen Kanälen nicht. Sie sind einzig Plattformen, auf denen jeder seine Meinung heraushauen kann, auch falsche, krude oder solche, die von einigen als diffamierend empfunden werden. Persönliche Urteile über Aussagen sind und bleiben subjektive Einschätzungen. Da kann nicht alles auf eine juristische Bühne gezogen werden. Genau das ist des Pudels Kern: Der Trend, alle möglichen Aussagen mit polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen zu belegen und dann Gerichte damit zu beschäftigen, verengt Meinungsräume. Wir müssen lernen, unliebsame Äußerungen zu ertragen. Es gab solche schon immer. Nur werden sie heutzutage durch die digitale Netzwelt für viele sichtbar. Wer schließlich gegen alles wettert, was ihm nicht passt, macht entweder den Äußerungsnebel dichter bzw. rückt komische Argumente noch mehr ins Licht. Die permanent erregte Gemeinschaft ist das Problem, nicht der ungeliebte Ausruf.

 

Thomas Wischnewski

Nr. 278 vom 30. April 2025, Seite 2

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