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Stadtmensch: Ich hasse Sommerlöcher

Lars Johansen

Es gibt eigentlich nichts, was unnötiger ist als ein Sommerloch. Denn eigentlich gäbe es genug zu berichten, aber die meisten Journalisten begeben sich jetzt in eine intellektuelle Sommerpause. Dabei hätten sie nun gerade endlich einmal genug Zeit, um anständig zu recherchieren. Stattdessen werden immer neue Sauen durch das Dorf getrieben, die sich bei näherem Hinsehen eigentlich immer als das gleiche Tier entpuppen, welches hin und her getrieben wird und so den Eindruck ununterbrochener Geschäftigkeit hervorzurufen vermag. Vielleicht sind es auch ein paar Schweine mehr, aber bei weitem keine so große Schar wie man bei dem ununterbrochenen Gequieke vermuten mag. Und natürlich denkt man in Berlin, dass es sich dabei um Löwen handelt. Aber, da kann man sicher sein, es sind keine, egal wie oft es selbsternannte Experten auch erzählen mögen. Wenn man nämlich ausnahmsweise einmal mit echten Experten unterwegs ist, dann stellt sich flugs heraus, dass es nichts zu berichten gibt, weil eigentlich nichts geschehen ist.

 

Dabei geschieht genug, über was es sich lohnen würde, zu berichten, aber das würde vermutlich zu viele Menschen nachhaltig verstören. Es ist ja auch viel lustiger über jede Aktion der Letzten Generation zu berichten und immer wieder mit den Autofahrern zu sprechen, welche sich darüber beschweren, dass es Menschen gibt, die auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen wollen. Schließlich gäbe es doch keinen vom Menschen verursachten Klimawandel. Es sind die gleichen Leute, die sich an anderer Stelle fragen, warum die Sommer so furchtbar heiß geworden sind, dass die Felder verdorren und Verbote für die Wasserentnahme beschlossen werden müssen. Früher sei es doch anders gewesen. Und wieder werden Löwen mit Schweinen verwechselt. Denn die sogenannten Klimakleber erklären ja, woran es liegt, dass es so heiß und trocken geworden ist. Aber denen mag man nicht zuhören, weil sie nicht nett und höflich wie die Zeugen Jehovas herumstehen und sich nicht rühren. Oder kurz an der Tür klingeln und sich über das Klima unterhalten wollen. Da wird von einem CDU-Hinterbänkler aus Sachsen-Anhalt, der bisher noch nie durch besondere Fachkenntnisse auf irgendeinem Gebiet geglänzt hat, schnell mal von Ökofaschisten fabuliert, Gefängnisstrafen für Klimakleber gefordert und für einen LKW-Fahrer, der die Blockierer einfach überfahren wollte, Verständnis geäußert. Wenn dann die eigenen Parteifreunde bremsen müssen, dann wird ein Stückchen zurückgerudert. Ist nach dem heißen Sommer sowieso wieder vergessen, aber man kennt den Wadenbeißer dann aus den Sommerlochberichten. Solche werden schließlich immer gebraucht, auch wenn sie für Größeres gewiss nicht geeignet sind.

 

Ich bin es auch leid, wenn nicht etwa klug und überlegt über die Fußball-WM der Frauen berichtet wird, obwohl diese längst sehr viel besser spielen als ihre männlichen Kollegen, sondern wild herum spekuliert wird, wen der FC Bayern München möglicherweise noch für seine erste Mannschaft der Herren verpflichten könnte. Im Minutentakt ploppen Meldungen auf, die sofort wieder kommentiert werden müssen. Dabei geht es um nichts und die Namen werden gehandelt, um die wirklichen Kaufabsichten mit Nebelgranaten zu verschleiern. Die Reporter gehen den Verantwortlichen gerne immer wieder auf den Leim. Dafür wird bei den Frauen der Nationalmannschaft ernsthaft über die Angst einiger Spielerinnen vor den giftigen Schlangen und Reptilien in Australien geschrieben. Wäre das irgendjemandem bei den Männern eingefallen? Vermutlich nicht. Aber im Sommerloch, da darf man auch die uralten Vorurteile wieder herausholen.

 

Es sind die gleichen Menschen, die bei einem Musiker immer wieder die Unschuldsvermutung hervorholen, nachdem sie genüsslich irgendwelche Gerüchte um Drogen- und Vergewaltigungsexzesse kolportiert haben. Was geht in solchen Menschen vor? Ist es die Angst vor der künstlichen Intelligenz, welche ganz sicher problemlos ihre natürliche Dummheit ersetzen könnte?

 

Und da wir gerade beim Ersetzen sind, Wärmepumpen sind auch das Thema für das Sommerloch, denn scheinbar mag niemand ernsthaft über das entsprechende Gesetz reden wollen. Die meisten Menschen in Deutschland glauben dank Presse und Oppositionspropaganda, dass sie morgen ihre alten Heizpumpen sofort durch ungeheuer teure neue ersetzen müssen. Das ist aber tatsächlich nicht der Fall. Erst wenn die alte Pumpe irgendwann ihren Geist aufgibt und nicht mehr zu reparieren ist, dann soll sie durch eine umweltfreundlichere Variante ersetzt werden. Was ist daran schlecht und ein Aufreger? Ich muss die Grünen nicht mögen, aber das ist tatsächlich mal vernünftig und keine Unterdrückungsvorschrift. Sicher schauen Politiker den Menschen oft zu wenig aufs Maul, aber eine aufgeregte Medienlandschaft ist sich nicht zu schade dafür, die Arbeit der Opposition zu übernehmen, statt in Ruhe aufzuklären. Nun scheint die Regierung aber überdies unfähig zu sein, ihre Politik so zu erklären, dass auch einfach gestrickte Menschen verstehen, was sie wollen. Den Rest besorgen dann FDP und CDU. Die AfD muss nur am Rand stehen und dabei zusehen, wie sich die demokratischen Parteien komplett gegenseitig zerfleischen. Und dann staunt die Presse über Umfrageergebnisse, die sie selber heraufbeschworen hat. Wenn über Thüringen eine Umfrage zur Wahl veröffentlicht wird, die eine imaginäre „Wagenknechtpartei“ mit abfragt, von welcher, da sie noch nicht existiert, niemand weiß, wer dort mitmacht und auch was politisch angestrebt ist, dann ist das unredlich. Wenn aber ein Viertel der Wahlberechtigten dort ihr Kreuz machen würde, dann sagt es auch einiges über uns aus. Wir scheinen Überraschungseier zu lieben. Und vielleicht auch Sommerlöcher. Vielleicht, weil sie uns so angenehm verblöden lassen.

Seite 7, Kompakt Zeitung Nr. 237

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