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Stadtmensch:
Das Ende des Fernsehens

Von Lars Johansen

Das Fernsehen ist so oft für tot erklärt worden, weil angeblich das Programmniveau in den letzten Jahren immer mehr nachgelassen hat und spätestens die Privatsender das Niveau so weit abgesenkt haben, dass gerne arrogant von Unterschichtenfernsehen gesprochen wird. Das ist natürlich Unsinn, alles ist wie immer und die scheinbare Austauschbarkeit von jedem TATORT oder POLIZEIRUF ist kein neues Phänomen. Aber trotzdem gibt es da ein neues Phänomen, denn die Zuschauer werden immer älter, im Schnitt und in der Realität.

Junge Menschen schauen selten lineares Fernsehen, weil sie als Digital Natives mit ganz anderen Techniken groß geworden sind. Sie warten nicht sklavisch auf die Anfangszeit, welche in der Programmzeitschrift ausgewiesen ist, sondern nutzen die Mediatheken der Sender. Wann immer sie wollen, wo immer und wie lange, das bestimmen sie selbst. Das ältere Publikum nutzt diese Mediatheken seltener, weil es bedeutet, dass sie erst einmal in das Internet müssen, um etwas zu sehen. Der Smart-TV, der das ermöglicht, wird aber nicht dafür genutzt, zu unübersichtlich und vor allem zu gefährlich ist es den Nutzern, die nicht mehr ganz so jung sind. Denn sie lesen genug von Computerviren und Hackern und Abhörmöglichkeiten, dass die Paranoia größer ist, als man denken mag. Sicher gilt das nicht für alle, aber der Großteil hat Fernsehen vorrangig als lineares Medium begriffen. Man kann zwar mal etwas auf Festplatte oder Video aufnehmen, um es sich später einmal anzusehen, aber sie trauen den Mediatheken nur bedingt. Und gerade auf dem Land ist es, wie wir wissen, mit der Digitalisierung noch nicht so weit. Also müssten sie möglicherweise auf dem Tablet schauen. Das kommt nicht infrage. Wohnzimmer sind weiterhin nach dem Fernseher ausgerichtet. Das gilt auch für Mediathekennutzer: Der Fernseher ist und bleibt der Zimmeraltar des medialen Zeitalters. Selbst wenn man streamt und Serien per Bingewatching komplett am Stück betrachtet, dann passiert das meistens im Wohnzimmer vor den immer größer gewordenen Geräten. Natürlich gibt es zur Not im Schlafzimmer ein Zweitgerät und je jünger die User sind, desto eher sind sie bereit, sich das Programm sogar nur auf dem Handy anzusehen. Ein Hollywoodblockbuster ist heute so konzipiert, dass er auf jedem Endgerät funktioniert, also quasi alles zwischen Smartwatch und Riesenleinwand irgendwie abdeckt. Das macht diese Filme nicht unbedingt besser, aber der Schaden hält sich in Grenzen. Die Allerjüngsten sind durch TikTok und Co. an kürzeste Formate gewöhnt. Alles ist möglich und jeder Spielfilm steht heute in Konkurrenz zu mindestens einem mehr oder weniger gelungenen Kurzvideo.

Es geht nicht mehr um Qualität

Gerade wurde auf „Tele 5“ „SchleFaZ“ abgesetzt, ein Format, das dem kleinen Sender die höchsten Einschaltquoten bescherte. Aber der Erfinder des Formats, Oliver Kalkofe, teilte mit, dass der ganze Sender überhaupt keine Mitarbeiter mehr hat. Die Firma Warner hat ihn als reine Abspielstation für ihren großen Schatz an Filmen und Serien gekauft, die jetzt rund um die Uhr, mit Werbung garniert, ausgestrahlt werden. Mit der Werbung wird genug Geld generiert, um Gewinn zu machen und ohne Personalkosten dürfte der ganz gut ausfallen. Das ist die Endstufe von Fernsehsendern, die ohnehin nur noch als reines Beiwerk für ein ganzes mediales Imperium betrachtet werden. Das könnte auch auf YouTube laufen, die Ausstrahlungsform ist den Konzernen schlicht egal, solange sie profitabel ist. Es muss nur Inhalt produziert werden, der konsumiert wird, damit er Werbung für weiteren Content macht, den man gewinnbringend verkaufen will. Es geht natürlich nicht um die Qualität eines Produktes, sondern ausschließlich darum, dass es sich irgendwie monetarisieren lässt. Wenn ein Marvel-Film floppt, dann wird er eben im Fernsehen gestreamt und wenn niemand dafür bezahlen mag, dann eben werbefinanziert und scheinbar kostenlos ins Netz gestellt. Das ist einer der Gründe, warum Disney gerade wackelt. Denn ursprünglich wurde mit dem Produkt Qualität assoziiert und genau an der mangelt es gerade. StarWars und Marvel und Pixar und was sonst unter dem Label läuft erzählt mittlerweile in jedem weiteren Werk nur die immergleiche Geschichte, die endlos fortgeschrieben wird und uns nichts mehr zu sagen hat, weil sie immer nur auf sich selber verweist. Diese Austauschbarkeit ist die Vorstufe zur Künstlichen Intelligenz, die nur retrospektiv zusammenstellen kann und nicht in der Lage ist, etwas wirklich Neues und Überraschendes zu erzeugen. Die Wiederkehr des Immergleichen führt zum interesselosen Wohlgefallen der Massen.

Was das mit dem Ende des Fernsehens zu tun hat? Eigentlich nichts oder doch alles. Ich versuche es mal anhand von „Babylon Berlin“ zu erklären, einer hochwertigen Serie, deren letzte Staffel im Fernsehen brutal unterging. Wenn man an einem Sonntag gegen einen „Inga-Lindström“-Fernsehfilm verliert, der schon seit Jahren das immergleiche Drehbuch geringfügig variiert, dann stellt das eine Katastrophe dar. Gleichzeitig aber explodierten die Zugriffe in der Mediathek. Das Publikum ist also tief gespalten zwischen den Älteren, die lineares Fernsehen gern nutzen und den jüngeren Menschen, die das in zunehmendem Maße nicht mehr tun. Früher oder später wird das Auswirkungen auf die Senderstruktur haben. Es wird möglicherweise das Ende der großen Funkhäuser und Studios sein, das Ende der großen Redaktionen und nur noch ein kleines Onlineteam wird in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz Inhalte produzieren. Der muss nicht schlechter sein, als das, was heute gesendet wird, aber Innovationen und neue Formate wird man möglicherweise vergeblich suchen. Und es wird preiswert sein, weil die Politik möchte, dass hier gespart wird. Und ob gut und billig zusammen geht, das muss sich erst beweisen.

Seite 7, Kompakt Zeitung Nr. 243

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