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Römers Reich:
Wenn divers einseitig wird

Axel Römer

Divers wird heute als ein progressives Wort verstanden. Die ursprüngliche Bedeutung bezieht sich auf die lateinische Vokabel diversus. Was abweichend oder verschieden bedeutet. Heute taucht das Wörtchen divers in jeder Stellenanzeige auf, Unternehmen und Institutionen betonen gern, dass sie divers seien. Nun ja, dass sich Individuen von anderen unterscheiden, steckt in der Natur von Individualität. Divers wird aber aktuell für eine Geschlechterbezeichnung verwendet, bei entsprechenden Menschen, die ihre Abweichung gegenüber der sogenannten Heteronormativität benennen wollen.


In letzter Zeit werden häufiger Probleme mit mancher „diversen“ Community bekannt. Ein Auftritt der Alt-Feministin Alice Schwarzer beim Leipziger Literaturfestival „Literarischer Herbst“ sollte verhindert werden. In einem offenen Brief wurden ihr „transfeindliche, rassistische und misogyne Aussagen und Publikationen“ vorgeworfen. Wenn Meinungen von Menschen, die sich divers bezeichnen, abweichen, mündet die Ablehnung offenbar in Feindbildbezeichnungen. Solche Tendenzen gibt es inzwischen bei zahlreichen Themen. „Alte weiße Männer“, „Rassisten“, „homophobe“, „Extremisten“, „Rechtsextreme“ und viele Bezeichnungen mehr machen derart inflationär die Runde, dass man meinen möchte, wir sind überall vom Bösen umzingelt. Diese vielen Erzählungen aus den Mündern von Leuten, die ein Selbstverständnis des allmächtig Guten in sich tragen, lassen gleichzeitig die Zahlen von Opfern und Opfergruppen anschwellen. Komisch, dass niemand bemerken will, dass die Probleme allein dadurch zunehmen, weil sie jeweils vom Standpunkt des selbstdefinierten Gutseins geboren werden. Je mehr moralisch Gutes definiert wird, umso mehr Niedertracht, Böses und Schattenseiten des Lebens kommen ans Licht. Paradox ist, dass heutige Vertreter von diversen Geschlechtern ihren geistigen Ursprung in der Philosophie des Dekonstruktivismus finden. Alles ist Konstruktion und kann deshalb dekonstruiert werden, allen voran durch Sprachänderungen. Wenn man also der konstruktivistischen Ursache letztlich mit konstruktivistischer Methode begegnet, was sollte dann besser werden. Es ist nichts anderes, als den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Und genau deshalb entsteht aus der proklamierten Theorie des Guten das konstruierte Böse. Je mehr Worte für Abweichungen bzw. Verschiedenartigkeit gesetzt werden, umso mehr Gräben ziehen jene, die sich als anders definieren. Nicht, dass sie das nicht tun sollten, aber sie sind damit jedoch selbst Erfinder von Kehrseiten und Ursprung von Differenzen.


Wer sich ergo als Verteidiger von Diversität bezeichnet, muss auch die Meinungsgegengewichte akzeptieren, sonst wäre eine Ablehnung anderer Positionen alles andere als divers, sondern ziemlich einseitig. Ich glaube nicht, dass Menschen, die nicht mit diversem Jubeltaumel einer erklärten Richtung nachlaufen, immer gleich Feinde sind. Als Feind wird man nicht geboren. Man wird dazu gemacht – so müsste es abgewandelt nach Simone de Beauvoir heißen.

Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 244, 7.11.2023

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