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Gedanken- & Spaziergänge im Park: Wo ist die bessere Politik?

Von Paul F. Gaudi

„Manchmal denke ich, dass die Regierenden in einer anderen Welt leben“, sagte Gerd zu mir, als wir uns trafen. „Anscheinend erleben sie und ich die Welt völlig verschieden oder lesen auch andere Zeitungen. Ich höre und lese immer wieder, dass es um unsere Wirtschaft arg schlecht bestellt ist. Betriebe reduzieren ihre Produktion oder verlagern sie ins Ausland und reduzieren die Zahl der Mitarbeiter. Die Chefs von großen Wirtschaftsvereinigungen schlagen bei den Ministerien und beim Kanzler Alarm. Kleinere Läden und Handwerksbetriebe stöhnen unter der Last der Energiekosten, ganze Bäckereiketten gehen in die Insolvenz. Bauern demonstrieren immer häufiger und mit Vehemenz. Transportbetriebe und Angehörige der öffentlichen Verkehrsbetriebe demonstrieren, streiken und protestieren. Kleinere Krankenhäuser schließen, Ärzte streiken und Mitarbeiter im Gesundheitswesen werden knapp. Die Bevölkerung nimmt zu, doch paradoxerweise fehlen Arbeitskräfte. All das kann man in der Zeitung lesen oder in den Nachrichten sehen. Doch wenn man die offiziellen Verlautbarungen oder die letzten Reden von Scholz und den Ministern im Bundestag hört, dann wird von Stabilität und überwundener Krise geredet und ein angeblicher Aufschwung suggeriert. Irgendwas stimmt da nicht.“

 

Staatssekretäre und Beauftragte

Leider musste ich ihm beipflichten. „Der Mangel an Arbeitskräften betrifft allerdings vor allem den produktiven und wertschöpfenden Zweig der Wirtschaft. In der Verwaltung scheint es geradezu umgekehrt zu sein. Seit die Ampel in der Regierung ist, soll die Zahl der Beamtenstellen um rund 11.000 gewachsen sein. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Aufgabenbereiche so zugenommen haben, dass die bisherigen Angestellten oder Beamten es plötzlich nicht mehr schaffen. Genauso hat die Anzahl der Staatssekretäre und der Staatsminister in einzelnen Ressorts zugenommen. Dazu kommen die Kosten für die Erweiterung des Kanzleramtes von rund 800 Millionen Euro. Gut, das war schon unter Merkel geplant. Aber einer sozialdemokratischen Regierung hätte es gut angestanden, wenn sie gesagt hätte, dass es überflüssig ist und man mit den bisherigen Bauten ausreichen würde.“ „Mir kommt das fast mittelalterlich vor. Da wollte auch jeder Bischof den größten Dom haben!“ „Dazu kommen noch 49 Beauftragte in den Ministerien für dieses und jenes. Neun solcher Posten hat allein das Auswärtige Amt. Ich frage mich, wieso es bei dieser großen Beamtenzahl in den Abteilungen der Ministerien nicht genügend Fachleute gibt, dass man extra noch Beauftragte schaffen musste, wie z. B. eine Beauftragte der Bundesregierung für Ladesäuleninfrastruktur! Und die Beauftragten haben wahrscheinlich noch diverse Angestellte. Was das alles kostet!“


„Dazu kommt unser größter Bundestag aller Zeiten mit 736 Abgeordneten! Nach dem chinesischen Volkskongress das zweitgrößte Parlament der Welt. Selbst das EU-Parlament, gewählt von 27 Nationen, hat nur 750 Abgeordnete.“ „Ja, da scheint weder Not noch Krise zu herrschen. Einer der wenigen Ampelpolitiker ist Kubicki von der FDP, der die Situation nicht schönredet. Er sagte kürzlich, dass Deutschland sich in der Rezession befindet und dass es kein grünes Wirtschaftswunder gäbe.“ „Dennoch beharrt man auf den nur ideologisch begründeten CO2-Steuern und der Energiewende, mit der Deutschland das Weltklima retten will. Minister Habeck müsste doch insgeheim der Klimaerwärmung auf Knien danken. Die Gasspeicher, die Anfang November zu 100 Prozent gefüllt waren und zum Jahreswechsel noch zu 98 Prozent, hatten am 1. Februar nur noch 75 Prozent Füllung. Und das bei diesem milden Winter. Man stelle sich vor, wir hätten einen Winter wie 1978/79 oder wie 1987. Mit Temperaturen bis zu -30°! Alle Solaranlagen wären dick mit Schnee bedeckt. Keine Atomkraftwerke mehr, keine Steinkohlekraftwerke – die Gasspeicher wären sehr schnell leer. Dann wäre die Kacke am Dampfen, wie mein Vater immer sagte. Wirklich, die Regierung, aber auch wir alle, haben mit dem bisher relativ warmen Winter unheimlich Glück gehabt.“


Bedrückend ist auch die anhaltende Inflation. Beim Lesen der Zeitungen muss man sehr genau lesen. So war kürzlich zu lesen, dass die Inflation im Januar bei 2,7 Prozent läge, im Gegensatz zu 3,5 Prozent im Vormonat. Im nächsten Satz stand dann, dass die Inflation deutschlandweit auf dem Rückzug sei. Und genau das stimmt nicht! Nur der Anstieg der Inflation ist etwas geringer geworden, aber sie ist weiter angestiegen. Gerd verglich das mit dem Hochwasser und sagte: „Wenn der Wasserstand im Vormonat von 3 auf 3,60 Meter angestiegen ist und jetzt um weitere 30 cm auf 3,90 Meter, dann ist das Hochwasser nicht gefallen, sondern nur langsamer gestiegen.“ Außerdem: Diese Durchschnitts-Inflationsrate von 2,7 Prozent betrifft alle Güter und Waren, also auch sehr teure und nicht alltägliche Waren. Die Inflation, die Otto Normalverbraucher tagtäglich betrifft, ist wesentlich stärker angestiegen, nämlich 4,1 Prozent bei Energie und 4,6 Prozent bei den Nahrungsmitteln!

 

Auf der Welle des Zeitgeistes

Zwei Meldungen aus der Kultur regten uns auf. Wieder einmal haben die Vergangenheitsbewältiger kräftig zugeschlagen. In der Stadt Goslar wurde bislang jedes Jahr ein Preis für Künstler der leichteren Muse verliehen, der Paul-Lincke-Ring, benannt nach dem bekannten Operettenkomponisten. Nun kam aber irgendjemand darauf, dass Paul Lincke, wenn auch nicht Mitglied der NSDAP, aber doch ein Profiteur des Naziregimes gewesen sei. So setzt die Stadt Goslar die Verleihung des Musikpreises aus, die in diesem Jahr zum 70. Mal erfolgt wäre – der Preisträger sollte Sven Regener werden – und will die Rolle Linckes in der Nazizeit von Fachleuten untersuchen und aufarbeiten lassen. Dazu passt die Meldung aus Aachen, dass die neue Generalsintendantin Tzavara die Büste Herbert von Karajans aus dem Foyer des Theaters entfernen ließ. Karajan (1908 – 1989) zählt zu den bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn seiner Karriere war er in den Jahren von 1935 bis 1942 Generalmusikdirektor in Aachen. Er war aber Mitglied der NSDAP. Mitte der 1950er Jahre wurde er Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. „Was haben solche Denkmalstürzer eigentlich davon? Das waren ja keine NS-Kriegsverbrecher,“ meinte Gerd, „manchmal habe ich das Gefühl, dass die sich damit aufwerten wollen, indem sie sich über die Großen stellen, die sich nicht mehr wehren können und an die sie nicht heranreichen.“


„Ja und indem sie auf der Welle des Zeitgeistes schwimmen und dafür gelobt werden wollen. Ich will mir lieber nicht vorstellen, auf welcher Zeitgeistwelle sie wohl geschwommen wären, wenn sie damals auch gelebt hätten.“ „Man darf gespannt sein, ob Aachen auch den berühmten Karlspreis abschaffen wird. Karl der Große führte einige Eroberungskriege. Zuerst in Norditalien gegen das Königreich der Langobarden und eignet sich den Königstitel an. Dann gegen die Sachsen und deren König Widukind, um sie zwangsweise mit dem Christentum zu beglücken. Bei diesem Krieg kam es zu dem sogenannten Blutgericht von Verden an der Aller, wo 782 angeblich 4.500 aufständische Sachsen hingerichtet wurden, wofür manche Karl als den Sachsenschlächter bezeichnen. Ein Großteil der Sachsen wurde dann aus ihrer Heimat in verschiedene Gebiete des fränkischen Reiches zwangsumgesiedelt. Dass unsere Denkmalstürzer noch nicht darauf gekommen sind?“

 

Nivellierung des Verbrechens

Zurzeit finden fast überall große Demonstrationen statt, die durch die Enthüllungen der Medienplattform Correctiv ausgelöst wurden. Allerdings gibt es nach wie vor noch kein wörtliches Protokoll, was da angeblich gesprochen worden wäre. In der ARD-Sendung Presseclub vom 28. Januar war eine Redakteurin von Correctiv, in der sie bestritt, dass das Wort Deportation in ihrem Bericht gefallen wäre, ebenso wenig wie der unselige Vergleich mit der Wannseekonferenz 1942, obwohl einige Redner auf diesen Demonstrationen sich gerade auf diese Beispiele berufen. Der Vergleich mit der Wannseekonferenz ist deshalb höchst unpassend, weil man ein Gespräch über Abschiebung oder Ausschaffung (klingt das eigentlich besser als Deportation?) von Asylsuchenden doch nicht mit einer Konferenz zur Planung der Ausrottung aller europäischen Juden gleichsetzen kann. Das käme einer Nivellierung dieses Verbrechens gleich!


In diesem Zusammenhang werden die Begriffe Nazis und Faschisten inflationär gebraucht. Auch höher gestellte Politiker sind als Redner bei diesen Demonstrationen und sie reden von Nazis. Man spürt ihre berechtigte Sorge, dass sie bei kommenden Wahlen die Mehrheit verlieren könnten. Neuere Umfragen ergeben, dass ca. 80 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der Regierung unzufrieden sind. Das sind rund viermal so viel als es Wähler für die AfD gibt. Das bedeutet auch, dass selbst wenn es die AfD nicht mehr gäbe, die Ampelparteien trotzdem nicht mehr Stimmen bekämen. Wähler gewinnt man nicht dadurch, dass man den politischen Gegner diskreditiert, sondern indem man eine andere und bessere Politik macht. Dumme Spielchen, wie z. B. der AfD einen Platz im Bundestagspräsidium vorzuenthalten, belohnt der Wähler nicht. Ähnliches spielt sich auch hier im Landtag ab. Der AfD-Abgeordnete Siegmund nahm an diesem Potsdamer Treffen teil. Allein deshalb soll er vom Vorsitz des Sozialausschusses abgewählt werden, obwohl niemand weiß, ob und was er bei dem Treffen gesagt hat und man bislang anscheinend an seiner parlamentarischen Arbeit nichts auszusetzen hatte. Was soll das?

 

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und „Neues vom Spaziergänger“ Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

Seite 8, Kompakt Zeitung Nr. 249

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