Nebulöse Aktion: Ein Elbedorf verschwindet
Ronald Floum
Im August 1929 herrschte großes Schlachtgetümmel an der Elbe. Die Reichswehr war auf dem Rückzug. Von Osten her drängte der Feind heran. Glindenberg war nicht nur mittendrin im Getümmel. In einer nebulösen Aktion verschwand der Ort sogar komplett. Und die Chilenen sahen zu. Was war passiert?
Der Kampf um den Fluss begann schon am frühen Tage. „Eine äußerst vertrackte und strategisch hoch interessante Gefechtslage“, schrieben die Berichterstatter damals und verglichen die Situation gar mit dem Russland-Feldzug Napoleons im Jahr 1812. Diesmal machte aber nicht der Winter, wie einst an der Beresina, den zurückweichenden Truppen zu schaffen, sondern feindliche Luftstreitkräfte. An den Ufern stauten sich Truppen und Fahrzeuge. Die Lage wurde immer brisanter. Das Chaos drohte. Eine Brücke musste her, um die Reste der Division vor der Vernichtung zu retten. Doch feindliche Flieger machten jede Arbeit immer wieder zunichte. Eine neue „Waffe“ brachte die Rettung. Mit künstlichem Nebel hüllten die Pioniere das gesamte Areal in einen undurchdringlichen Mantel. In seinem Schutz konnte die rettende Brücke gebaut werden. Doch nicht nur der Fluss und das Elbufer verschwanden vorm Angesicht. Die Schwaden zogen bis Glindenberg und verdeckten das ganze Dorf.
Militärisch war die Aktion ein Erfolg. Vor Ort sorgte sie aber für einigen Ärger, denn der Qualm biss nicht nur in den Augen. Er reizte auch Haut und Lunge, so dass viele Menschen verängstigt die Flucht ergriffen. „Selbst die Elbschiffer, die manche Tabaksblüte gewöhnt sind, fühlen sich solcher Brise nicht gewachsen“, schreibt der Berichterstatter. „Wer genug hat, entflieht hustend!“ Ein anderer Beobachter schreibt: „Im Übrigen war die Wirkung ungefährlich. Die kleinen Schulmädchen, die zu Tränen gerührt waren, weinten aus Angst, weil sie ihren Lehrer verloren hatten, nicht aber, weil der Nebel sie zu Tränen rührte. Aber so viel hustende, prustende und niesende Menschen hat der alte Elbstrom wohl lange nicht auf einem Haufen gesehen.“
Schaulustige waren auch damals offenbar schon ein Problem, denn den Soldaten kam diese Vertreibung gerade recht. „Die Nebeltrupps der ostpreußischen Pioniere lächeln. Sie sind diese ,Majonaise’ aus den Nebelapparaten schon eher gewöhnt. Der Publikumsandrang ebbt indessen ab und die Truppe erhält, wenigstens in dieser Beziehung, etwas mehr Luft.“
Insgesamt zwei Wochen dauern die Scharmützel. Damals nur eine Übung, die sogar von ausländischen Militärbeobachtern aufmerksam verfolgt wurde. Ranghöchster Gast war ein General Diaz aus Chile. Die deutsche Heeresleitung war mit dem Ablauf mehr als zufrieden. Sie glaubte sich für einen Krieg gut gerüstet. Dass der in nur zehn Jahren zur schlimmen Realität werden und 16 Jahre später ein echter Feind von Osten heranrücken würde, ahnte zwar noch niemand, doch das Großmanöver von 1929 war schon ein Menetekel des heraufziehenden Infernos. Übrigens standen sich damals „Rote“ und „Blaue“ Manövereinheiten gegenüber und die „Blauen“ waren die auf dem Rückzug.
Seite 17, Kompakt Zeitung Nr. 253, 10. April 2024
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