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Die Nr. 1 wird 100!

Serie zur Entstehung des Gebäudes am Breiten Weg. Teil 2: Der Neubau 1923

Seit wenigen Monaten ist der 1. Weltkrieg zu Ende. Zu jener Zeit ist Magdeburg mit 286.000 Einwohnern die größte Kommune der Provinz Sachsen. Noch bevor im April 1919 mit Hermann Beims erstmals ein Sozialdemokrat zum Oberbürgermeister Magdeburgs gewählt wird, erhält der Magistrat am 23. Februar 1919 ein Schreiben der Reichsbahn-Hauptstelle, in dem das Direktorium mitteilt, man habe den ursprünglichen Entwurf wegen der Baukosten umarbeiten lassen. Zugleich schickt man neue, schlichter gehaltene Entwürfe. Die Fassadengestaltung ist reduziert, ohne Skulpturenschmuck, Relieftafeln, Balustraden und Pilaster. Die einst sämtlich in Aussicht gestellten Werksteinarbeiten sind passé und die Portalgestaltung verkleinert. Der Magistrat sieht die Änderungen als vertragswidrig an und lehnt diese zuerst vehement ab. Dann wird dem Entwurf dennoch zugestimmt, um die Ausführung und somit die Arbeitsmöglichkeiten für erwerbslose Bauarbeiter bei Schachtarbeiten nicht weiter zu verzögern.


Die Bauleitung für den Neubau übernimmt Regierungs- und Baurat Plaschewski. Zum 1. Februar 1920 eröffnet er ein Baubüro in der Großen Münzstraße. Mit Beginn der Bauarbeiten am 1. Juni 1920 zieht er mit seinem Stab in die verbliebene städtische Immobilie Domstraße 2 ein. Der Nachfolger des mit 70 Jahren ausgeschiedenen Stadtbaurats Otto Peters ist der avantgardistisch gesinnte Architekt und Stadtplaner Bruno Taut. Noch vor seiner Amtseinführung äußert er sich im Mai 1921 kritisch zum Neubau: „Ganz gleich wie man sich zur architektonischen Lösung des Reichsbankneubaus stellen mag – bedauerlich bleibt die städtebauliche Gruppierung des Gebäudes, die, obwohl seinerzeit als Ergebnis einer fachmännischen Kommission entstanden, von großem Schaden für das Werk Magdeburgs, seinen Dom, sein wird […]. Die Gruppierung der Reichsbank ist nun ein typischer Kompromissfall zwischen Freilegungstendenz einerseits und gotischer, daß heißt in diesem Falle architektonischer Erkenntnis andererseits. Der Bau ist genehmigt und in Ausführung begriffen, und ob die schmale Seite am Breitenweg, ihr Portal, so oder so wird, ist für das Ganze unerheblich.“


In der Anfangszeit der Weimarer Republik mit den Nachwirkungen des Krieges, Terror, Streiks, Demonstrationen und Hyperinflation zieht sich die Fertigstellung des Neubaus hin. Als das alte Gebäude in der Domstraße 2 auch im Mai 1922 noch nicht abgerissen ist, droht die Reichsbank-Direktion mit einer Klage gegen die Stadtverwaltung. Die hat Probleme, sich wegen der großen Wohnungsnot und den zahlreich unterzubringenden Flüchtlingsfamilien mit den verbliebenen Mietern zu einigen. Rund 4.000 Wohnungssuchende drängen zu dieser Zeit am städtischen Wohnungsmarkt um Hilfe. Nach Verhandlungen stimmt das Mieteinigungsamt einer Räumungsklage für die Mieter im Haus an der Domstraße 2 zum 1. Juli zu. Der Abbruch beginnt schließlich Ende August 1922.


Die Magdeburgische Zeitung berichtet am 22. April 1923 über den fertiggestellten Neubau, der einen Tag später eröffnet und am 25. Juni offiziell übergeben wird. Wegen der Inflation hatten sich die Baukosten auf 999,2 Billionen Papiermark addiert. Als die Reichsbank öffnet, hat Magdeburg als „die bunte Stadt“ gerade deutschlandweit Aufmerksamkeit erlangt. Das historische Rathaus ist innen und außen farbig angestrichen, etwa 100 Häuser sind bunt bemalt worden.


Die sich hinter einer 43 Zentimeter dicken und tonnenschweren Tresortür befindlichen zwei Kelleretagen des Tresorraums galten bei ihrer Einweihung als einer der sichersten Tresore im gesamten Reich. Gebaut wurde die Anlage von der renommierten Geldschrankfabrik J. C. Petzold aus Magdeburg Neustadt. Der insgesamt 1.800 Quadratmeter große unterirdische Tresor war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die Baubeschreibung spricht von „Tresoranlagen, die sich unter dem ganzen Gebäude hinziehen, sich zweigeschossig in die Erde versenken und in ihren Abmessungen die größte Anlage Deutschlands darstellen. Obwohl sie erst jetzt zur knappen Hälfte besetzt sind, dürften dort bald Billionen an Werten lagern. Es ist der Kassenscheinvorrat für einen großen Teil des Deutschen Reiches, der hier angesammelt wird und in den Verkehr geleitet werden soll.“


Zum Tresorbereich gehörten auch unterirdische Geldzählstuben, ein Fahrstuhl zum Transport des Geldes von oben nach unten und ein Nachttresor an der Frontseite des Gebäudes zum Breiten Weg, in den Geschäftsleute ihre Tageseinnahmen an Bargeld einwerfen konnten. Um die Zählung des Geldes unabhängig von den Kassenöffnungszeiten zu halten, gab es im Obergeschoss eingerichtete Dienstwohnungen für drei Vorstandsbeamte, einen Kassierer, zwei Geldzähler und den Hausmeister. Auch ohne den Domfelsen, dessen rotliegendes Gestein sechs Meter unter dem Tresor liegt, war ein unterirdischer Einbruch in die Anlage unmöglich. In der Baubeschreibung heißt es: „60 Zentimeter starke Eisenbetondecken und -Böden schützen die Räume nach oben und unten, ein 64 Zentimeter starkes Mauerwerk mit darin verlagerten Eisenstäben sichern die Wände. Rund um die Anlage verläuft ein Kontrollgang für Wachpersonal. Während der Sanierung des Hauses 2015 benötigten die Bauarbeiter eine Woche, bis sie sich per Trennschleifer durch die Wand geschnitten hatten. Fortsetzung in der nächsten Ausgabe (erscheint am 26. April 2023).

 

(Auszüge aus dem Heft „Breiter Weg Nr. 1“, herausgegeben von der Wobau; Text- und Fotoabdruck mit freundlicher Genehmigung)

Seite 13, Kompakt Zeitung Nr. 230

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