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Stadtmensch: Ein störrischer Star

Lars Johansen

„Hast ja eigentlich och noch nich gemacht, kannste ja mal machen“, das war einer seiner Leitsätze. Und Clown wollte er eigentlich werden. Wer ihn kannte, der wusste, er konnte eine Nervensäge sein. Das machte ihn aus und das machte den Umgang mit ihm manchmal schwierig. Er traf meistens nicht die richtigen Töne, wenn er nicht gerade auf der Bühne oder vor der Kamera stand. Denn er war zu laut und zu ichbezogen und manchmal auch ein wenig zu betrunken. Das klingt nicht angenehm, aber es gehörte zu ihm dazu.


Peter Sodann ist im Alter von 87 Jahren in Halle an der Saale gestorben. Und wenn meine Worte vielleicht etwas barsch klangen, dann mag ich mich dafür entschuldigen, denn das sollte nicht mein Ziel sein. Im Gegenteil, ich ziehe den Hut vor seiner Lebensleistung. Und das ist zu wenig, denn es wären einige Hüte zu ziehen. Er war einer, der sich nicht verbiegen ließ, aber auch bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Und diese waren schon in der DDR nicht klein. Über 80 Spitzel sollen auf ihn angesetzt gewesen sein, für so gefährlich schien man ihn zu halten. Der Sohn eines Stanzers und einer Landarbeiterin hatte es und machte es sich und anderen nicht leicht. Sein Vater brachte ihm, bevor er zum Kriegsdienst eingezogen wurde und dabei ums Leben kam, schon vor der Schule das Lesen bei. Das ließ den Jungen Zeit seines Lebens nicht mehr los. Er las und er sammelte Bücher. Nach einer Lehre als Werkzeugmacher holte er sein Abitur nach und begann, Rechtswissenschaften in Leipzig zu studieren, weil man ihn an der Schauspielschule nach einem Vorsprechen als „völlig unbegabt“ abgelehnt hatte.

 

Aber er gab nicht auf, um schließlich nach vier Semestern an die „Hans Otto“ zu wechseln und mit der Schauspielausbildung zu beginnen. Schließlich hatte schon in seinem ersten Zeugnis gestanden: „Peter macht Faxen.“ Und das Faxenmachen konnte er nicht lassen. Der überzeugte Kommunist wurde 1961 aus der SED ausgeschlossen, weil er zusammen mit Ernst Röhl und anderen Kabarett gemacht hatte. Und Kabarett, das ging in der DDR nur an Häusern, welche von der Partei gegründet wurden. „Der Rat der Spötter“ aber hatte sich selber unter Leitung von Sodann gegründet. War ja klar, dass er es leiten musste.

 

Und dann geschah das, wie er einmal in einem Interview erzählt hat: „Ich hatte einem Stoffhund ein Loch in den Hintern gebohrt und ihm das Neue Deutschland in den Hintern geschoben und wieder herausgezogen. Bei der Vorstellung habe ich dann ins Publikum gesagt: ‚Sehnse, nicht mal der Pfeffi kann das verdauen‘.“ Das bedeutete 10 Jahre Knast, von denen er „nur“ neun Monate absitzen musste. Es blieben vier Jahre zur Bewährung. Und auch das nahm er der DDR nicht krumm. Er erklärte sich nicht zum Widerstandskämpfer, er steckte das weg, weil es dazu gehörte. Und als er wieder draußen war, machte er weiter, erst als Dreher und ab ‘63 auch wieder mit der Schauspielausbildung.

 

1964 holte ihn Helene Weigel an das Berliner Ensemble und nach ein paar Stationen in Erfurt und Karl-Marx-Stadt, wo er auch als Regisseur arbeitete, landete er 1975 als Schauspieldirektor in Magdeburg. 1980 schließlich fand er den Weg nach Halle zum Landestheater dort und ein Jahr später zum „neuen theater“. Und dort begann er die Kulturinsel aufzubauen. Das konnte nur einer wie er schaffen, einer, der ein Nein nicht akzeptierte, der notfalls selber Hand mit anlegte, der sich mit allen überwarf, die diesen Weg nicht bedingungslos mitgehen wollten. Heute nennt man das toxisch und vielleicht ist es das auch, aber ohne ihn hätte es keine Kulturinsel gegeben. Wenn man heute dort hingeht, dann, jedenfalls geht es mir so, staune ich über das, was entstanden ist. Mitten in der Stadt, nicht weit vom Marktplatz, ist ein Traumort für Theaterfreunde entstanden. Gerne trinke ich im Theatercafé einen Kaffee oder esse etwas, denn es ist dem Publikum, den Menschen zugewandt. Kein Tempel für die Kunst, sondern eine Möglichkeit für alle. Preise hat Sodann dafür bekommen und die Ehrenbürgerschaft der Stadt, aber die Stadtoberen haben ihm nicht den Wunsch erfüllt, dort nach 25 Jahren mit siebzig Jahren auszuscheiden. Sie schickten ihn schon vorher in die Wüste. Jedenfalls empfand er es so, als er 2005 schon gehen musste, ein Jahr vor der Zeit, und formulierte es auch laut und enttäuscht. Aber da war ja noch der Kommissar Ehrlicher, den er zwischen 1992 und 2007 gespielt hatte und der ihm so viel Ruhm beschert hatte, dass er auch über Halle und die DDR hinaus eine Berühmtheit geworden war.

 

Die Linke machte ihn 2009 zum Bundespräsidentenkandidaten und er holte immerhin zwei Stimmen mehr als sie Delegierte hatten. Ein kleiner Triumph, aber auch da war er wieder zu laut gewesen. Eine echte Demokratie sei dieses Deutschland nicht, hatte er gesagt. Und dann mit Norbert Blüm Kabarett gespielt. Er konnte sich immer noch und immer wieder aufregen, aber er setzte sich auch ein. Und er spielte in Filmen und im Fernsehen immer wieder große und kleine Rollen. Und dann sammelte er eben auch Bücher, die zwischen 1945 und 1989 in der DDR gedruckt worden waren. Drei bis vier Millionen waren es zuletzt. Davon eine Million in Staucha, wo er lebte. Zuletzt lebte er wieder in seinem Halle, mit dem er sich überworfen und wieder versöhnt hatte. Ein großer, kleiner, lauter Mann, der stets bestreitbar blieb und viel erreicht hat. Er wird fehlen.

 

Seite 7, Kompakt Zeitung Nr. 253, 9. April 2024

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