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Natur – Romantik im Denken?

Von Thomas Wischnewski

Der Mensch sehnt sich nach Natur. Doch was ist das eigentlich und kommen wir da hin,
wo wir vermeintlich sein wollen. Ein Plädoyer für ein anderes Naturverständnis. 

 

 

Was ist eigentlich Natur? Wir meinen damit häufig, dass wir den zivilisierten Bereich der Städte verlassen und ins Umland fahren, vielleicht in den Harz, die Heide und die Kreuzhorst, entlang der Elbe schlendern oder eine weitere Reise ans Meer unternehmen oder gar eine Fernreise nach Skandinavien, Afrika, Kanada buchen. Natürlich ist uns bewusst, dass der Naturbegriff viel weiter ist. Dass dazu irgendwie alles gehört, was wir als das Universum begreifen. Trennen wollen wir nur das Technische, das von Menschenhand Gemachte.


Städte sind ein Sammelsurium an planerischer Tätigkeit. Infrastruktur, Mobilitätswege, Kommunikations- und Versorgungseinrichtungen, Unterhaltung, Parkanlagen et cetera. Eigentlich machen wir uns mit dem Verständnis über einen Naturbegriff häufig etwas vor. Selbst Landschaften, die außerhalb von Stadtmauern begehbar sind, haben menschlichen Gestaltungseinfluss. Landwirtschaftliche Nutzflächen, Wälder oder Heiden – überall greift der Mensch mit seinen Gestaltungs-, Pflege- oder Hege-Absichten ein. Flüsse sind in ihren Lauf gezwängt, Pflanzenarten für bestimmte Flächen werden ausgewählt, und das Baumsterben im Harz findet eine wesentliche Ursache in der monokulturellen Aufforstung mit Kiefern durch die Vorgenerationen.


Eigentlich müssen wir bekennen, dass der Mensch sich in alle Naturräume ausgebreitet hat. Selbst eine Fernreise würde man nicht unternehmen, wenn der Weg in die Wildnis nicht sicher wäre und der Rückweg garantiert ist. Es gibt noch einige sogenannte Naturvölker. Die Anzahl wird mit 70 bis zu 5.000 angegeben. Die große Differenz ergibt sich, weil es z. B. verschiedene Bezeichnungen für dieselben Gruppen gibt. Aber längst haben solche Völker kaum Chancen zu überleben, wenn ihr angestammter Lebensraum nicht intakt bleibt. Waldflächen müssen Agrarflächen weichen oder Besiedlungsflächen verdrängen Natur für eine nach wie vor wachsende Erdbevölkerung. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist das Amazonas-Gebiet.


Seit langem gibt es bei uns kritische Bewegungen, die sich den Schutz von Natur und Umweltbedingungen auf die Fahne geschrieben haben. Allerdings fußt die Vorstellung über Schutz selbst auf planerisches Eingreifen. Bei Gardelegen gibt es das als Jävenitzer Moor. Es ist ein EU-Vogelschutzgebiet und „Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide“. Auch die sogenannte Renaturierung erfolgt durch menschliches Eingreifen. Kürzlich verabschiedete die EU ein Renaturierungsgesetz. Demnach sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen in der Europäischen Union und bis 2050 60 Prozent aller sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederhergestellt werden. Das Gesetz zielt darauf ab, den weiteren Rückgang der natürlichen Lebensräume in Europa zu stoppen. Über 80 Prozent der europäischen Lebensräume befänden sich laut EU bereits in einem schlechten Zustand.


Der Mensch greift gegen den Menschen ein. Was ist denn nun Natur. Die Ausbreitung regenerativer Energiepflanzen, allen voran Raps, die auf vielen Hektar in der Magdeburger Börde wachsen, haben zu Bodenschäden und Artenschwund geführt. Eigentlich war deren Förderung ein ökologisches Ansinnen. Wie so oft wird aus gut gemeint, am Ende schlecht gemacht. Die Frage bleibt offen: Können wir uns als Menschheit gegenüber den natürlichen Lebensbedingungen wirklich im Zaum halten?


Inzwischen gibt es Tourismusreisen in die Eisgebiete der Arktis, um sich Eisberge anzusehen. Jede Katastrophe findet ihre Gaffer. Erst werden daraus Mahner, dann Aktivisten für die Sache und am Ende wird doch jeder Flecken von Menschen vereinnahmt, selbst wenn es um die Möglichkeit ginge, sich über den eigenen Untergang einen Eindruck zu verschaffen. Der Naturbegriff, wie wir ihn heute nutzen, hat wenig mit der Natur zu tun, die wir meinen.

 

Nr. 254 vom 23. April 2024, Seite 13

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