Wolken.Heim.
Von Birgit Ahlert
Florian Hein inszeniert am Theater Magdeburg
Wolken.Heim. ist 1988 als Auftragswerk für das Theater Bonn entstanden und dennoch alles andere als ein veralteter Text. Die Autorin begibt sich auf nationale Spurensuche, kreist im Nachdenken über Identität und Heimat, nutzt dafür Texte von Hölderlin, Hegel, Fichte, Kleist und der RAF. Es entstand ein wortgewaltiger, schonungsloser Text von beklemmender Relevanz. Elfriede Jelinek ist eine der wichtigsten Stimmen im deutschsprachigen Theater, 2004 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur. Jetzt widmet sich der Regisseur Florian Hein ihrem Werk und bringt es am Theater Magdeburg, im Schauspielhaus, auf die Bühne.
Florian Hein wurde 1989 in Halle geboren, im Jahr nach der Uraufführung von Wolken.Heim. Ist es für ihn eine Zeitreise, das Stück jetzt selbst auf die Bühne zu bringen? „Es ist für alle eine Zeitreise“, antwortet er und begründet, dass Jelinek selbst dazu einlädt, von der Romantik aus in eine schräge Gegenwart zu reisen. Zeitlich gebunden ist der Text jedoch nicht. Im Gegenteil. Angesichts aktueller Nachrichten wirkt Jelineks Stück äußert aktuell. Und so will Hein an politische Realitäten anknüpfen und gleichzeitig den Umweg über die Abstraktion gehen. Denn der Text, so sagt er, hat auch etwas sehr Abstraktes. Es entsteht „eine andere Perspektive zu den Themen, die wir aus unserem Alltag kennen, und die Anregung, in sich selbst nachzuforschen“. Wenngleich Elfriede Jelinek den Text heute vielleicht anders schreiben würde, überlegt Florian Hein, vor allem, was die Sprache betrifft. „Sprache verändert sich“, erklärt er, „dafür haben wir Lösungen finden müssen“.
So wurden neben einigen, wenigen Kürzungen des Originaltextes auch sprachliche Anpassungen vorgenommen. Der größte Unterschied entsteht durch Heins Stärke: Er ist bekannt für seine musikalischen Inszenierungen. Die bringt er auch bei Wolken.Heim. ein. Hein entwickelt Musik aus der Sprache. Musik, die aus den Textpassagen entsteht. Manchmal sind es nur kurze Wortgruppen, erklärt er, dann wieder wird aus einem Gedicht eine Art mehrstimmiges Lied. Er greift Motive auf, um den Text und das Geschehen zu verstärken. Grundlage ist Jelineks Text, mit seinen immer wiederkehrenden und variierenden Formulierungen. Andererseits entstehen neue Musikpassagen, die bei Jelinek nicht vorkommen.
Stücke zu entwickeln, mit den Mitwirkenden, das liebt Fabian Hein. Das ist auch diesmal so: Bereits seit November gab er Workshops, es gab Aufrufe zur Mitwirkung an der Inszenierung, Sänger/-innen konnten sich bewerben. Entstanden ist ein Chor mit zehn Mitgliedern, die neben den Theater-Solisten (Julia Buchmann, Oktay Önder, Michael Ruchter, Carmen Steinert) auf der Bühne zu erleben sein werden. Sie haben zusammengefunden, ausprobiert, getestet, was funktioniert mit dieser Gruppe. Einiges hatte der Regisseur bereits im Kopf, anderes entwickelte sich mit den Menschen, die mitwirken. Sie bringen unterschiedliche Stärken, Ausdrucksformen und -farben ein. „Daraus entwickelt sich vieles.“ Das passt zum Stück: Das Finden zum Wir. Wobei es kein natürliches Wir gibt, erläutert der Regisseur, es sei eher ein Zusammenkommen. Ein konstruiertes. Eine Art surreale Geisterreise. In Wolken.Heim. gibt es kein Szenario, das beschrieben wird, keine Figur. So erschafft Florian Hein aus dem Textmaterial seine eigene Fassung, im Wortlaut jedoch sehr nah an Elfriede Jelineks Original.
Aus dem deutschen Idealismus und der Romantik heraus entsteht die Verselbständigung des sogenannten deutschen Geistes, von Hegel aufgeworfen und weiterziehend durch die Jahrhunderte bis in unsere Gegenwart und wahrscheinlich auch in unsere Zukunft. „Jelinek spielt damit, setzt neue Kontexte“, sagt Florian Hein, „das hat mich interessiert.“ Was ist die Nation, welches Verhältnis hat man dazu, wie setzt sich Gesellschaft zusammen? Warum wird das Andere, das Unbekannte oft als negativ und abwertend behandelt? „Ich finde es sehr interessant, sich aus der Kunst heraus mit diesem gesellschaftlich präsenten Thema zu beschäftigen.“ Dabei gehe es nicht darum, eine Lösung zu finden, sondern „diese Reise, die sie philosophisch-literarisch anbietet, zu untersuchen“. Und es geht um das Zuhause. Ein Grund mehr für Florian Hein, sich in seiner Heimat Sachsen-Anhalt damit zu beschäftigen. Das wollte er nur hier.
Wolken.Heim. hat Premiere am Samstag, dem 13.April 2024, 19.30 Uhr im Schauspielhaus (K2). Für Besucher ab 15 Jahren.
Seite 13, Kompakt Zeitung Nr. 253, 9. April 2024
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