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Standpunkt Breiter Weg: Selbstgemachte Miseren

Thomas Wischnewski

Die Staatsverschuldung ist seit Jahrzehnten ein vieldiskutiertes Dauerthema. Und sie steigt und steigt und steigt. Zum Zeitpunkt der Deutschen Einheit betrug sie rund 539 Milliarden Euro. 1995 überschritt sie erstmals die Eine-Billionen-Euro-Marke, 2010 waren es zwei Billionen Euro. Ab 2012 schraubte die Bundespolitik die Schuldenlast bis 2019 zurück auf rund 1,9 Billionen Euro. Seither klettert die Verschuldung durch Corona-Hilfsmaßnahmen, Soziallasten, Energiepreisbremsen und Klimaschutz-Investitionen sowie zuletzt durch das sogenannte Sondervermögen, wachsende Migrationslasten und steigende Personalkosten bis Ende 2023 auf die schwindelerregende Höhe von 2,64 Billionen Euro. Darin enthalten sind noch die finanziellen Verpflichtungen aus Haftungen gegenüber der Europäischen Union von rund 261 Milliarden Euro. Wo galoppiert der deutsche Staat mit seinen Finanzen hin?


Man dürfe nicht auf Kosten künftiger Generationen leben – das war das Credo, mit dem jede politische Finanzdebatte überschrieben wurde. Eine Umkehr – weg von der Verschuldung – scheint kaum möglich. Auch wenn der Bundesfinanzminister Christian Lindner gebetsmühlenartig die Einhaltung der Schuldengrenze anmahnt, werden immer neue Ansprüche formuliert und weitere Berge an Verpflichtungen aufgetürmt. Parallel klettern die Kosten der Renten- und Pensionskassen auch wegen der demografischen Entwicklung – weniger junge Beitragszahler können dazu die gestiegene Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer nicht durch Beitragsaufkommen finanzieren.


Folgt man den Argumenten politisch Verantwortlicher, bekommt man den Eindruck, als seien diese Finanzlasten alle kein Problem und würden sich durch wirtschaftliche Wunder in der Zukunft lösen lassen. Außerdem würde die Zuwanderung ebenso einen positiven Effekt für die Sicherung des Sozialstaates erzeugen. Die Wirtschaftsdaten sprechen eine andere Sprache, und ob der Anteil der Menschen mit multikultureller Zuwanderungsgeschichte bereit ist, die deutschen Versäumnisse der Vergangenheit zu schultern, mag einem Blick in die Glaskugel gleichen.


Es erscheint fatal, dass die Erzählungen über das sogenannte reiche Deutschland wie aus dem vergangenen Jahrhundert aufrechterhalten werden – zum Beispiel die über die viertgrößte Industrienation der Welt – während die Verluste an Industriearbeitsplätzen zunehmen, die Arbeitszeiten weiter rückläufig sind. Ein Ruder für einen Wirtschafts- und Bürokratiekoloss wie unser Land ist nicht von heute auf morgen herumreißbar. Und so schleichen wir gemeinsam auf den Abstieg zu – von Abgrund soll noch nicht die Rede sein. Jeder möchte gern an errungenen Pfründen festhalten. Das ist verständlich, aber wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht nur in eine Richtung gehen wird. Es werden Verwerfungen entstehen, die Ungleichheit, Abstiegsbiografien und neue soziale Konflikte hervorbringen. Der Prozess dahin hat Fahrt aufgenommen und die Krisen von heute und morgen bergen manche selbstgemachte Misere.

Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 253, 10. April 2024

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