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Gedanken- & Spaziergänge im Park:
Aschermittwoch und Gesinnung

Paul F. Gaudi

Der politische Aschermittwoch in Süddeutschland war recht turbulent. Leidtragende waren vor allem die Grünen. Der Vorsitzende Nouripour konnte in Landshut noch in Ruhe seine Rede halten, danach überreichten ihm Landwirte eine Liste mit ihren Forderungen. Aber Ricarda Lang und Özdemir hatten in Baden-Württemberg mit stärkerem Gegenwind zu kämpfen. Während Frau Lang nach ihrem Vortrag in Schorndorf unter Polizeischutz abfahren musste und von erbosten Landwirten ausgepfiffen und beschimpft wurde, konnte der Landwirtschaftsminister Özdemir in Biberach seine Veranstaltung gar nicht erst besuchen, da die aufgebrachten Bauern seine Anfahrt behinderten, so dass sein Aschermittwoch in Biberach abgesagt wurde. Bei den anderen Parteien verlief der Aschermittwoch im Allgemeinen störungsfrei und war unterschiedlich hörenswert. Für die SPD redete vor allem Herr Heil. Es war eher eine der üblichen Wahlkampfreden, wie auch die von Frau Strack-Zimmermann (FDP), die die Kapelle stets zu einem Tusch aufforderte, wenn sie meinte, etwas Bemerkenswertes gesagt zu haben. Dagegen war der Auftritt von Sahra Wagenknecht in Passau spritzig und geistreich. Nachdem sie sich zuerst da-rüber freute, dass der Gasthof „Zum wilden Mann“ noch nicht geschlechtergerecht umgetauft worden sei, zog sie gegen die Bundesregierung zu Felde, die sie als „nicht nur die dümmste, sondern auch die gefährlichste Regierung Europas“ bezeichnete! Das Echo in der Presse darüber hielt sich in Grenzen.

 

Immer nah an AfD-Positionen

 

Man stelle sich vor, dass diese Worte von einem Funktionär der AfD gesprochen worden wären! Da wäre wohl ein Empörungs-Tsunami über ihn und seine Partei hinweggerollt. Ähnlich kritisch äußerte sich auch der CSU-Vorsitzende Söder in Passau. Obwohl die Rede sehr lang war, war sie kurzweilig und mit giftigem Witz gewürzt. Ein Beispiel: Als er die Landwirtschaftspolitik der Ampel kritisierte und auf die Güte der Landwirtschaft in Bayern hinwies, sagte er: „Hätte ich die Wahl, dann wäre ich lieber Bulle in Bayern als ein Rindvieh in Berlin!“ Jubelnder Applaus der Menge. Wie Söder hatte sich auch Friedrich Merz bei seiner Rede in Apolda in Thüringen die Regierung vorgenommen. Während sich aber Söder von jeder Zusammenarbeit mit den Grünen auch in Zukunft distanzierte, hielt sich Merz diese Hintertür offen. Dafür prophezeite er der FDP den „baldigen Tod“, was wohl das Ausscheiden aus dem Bundestag bedeuten sollte. Interessant war, dass Merz den größten und längsten Beifall immer dann erhielt, wenn er sich thematisch bei Themen wie Zuwanderung oder Bürgergeld sehr deutlich den Positionen der AfD annäherte, von der er sich ansonsten lautstark distanzierte. In Passau trat am Aschermittwoch auch die Vorsitzende der Linken auf. Neben Friedensbekundungen und scharfer Kritik an der Ampel war es mehr eine Wahlkampfrede. Witz und Humor waren rar, dafür aber klassenkämpferische Parolen über Enteignungen und Umverteilung. Man spürt, dass von ihr aus gesehen alles „rechts“ ist, was nicht links ist, selbst die Grünen! Es sind diese radikalen Sprüche, wie man sie heute vor allem bei den „West-Linken“ findet, die die Errungenschaften des „real existierenden Sozialismus“ der DDR nicht am eigenen Leib gespürt haben.  Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Art des Denkens von Frau Wissler vieles zu dem Austritt der Bedächtigen aus der Partei, zu ihrer Spaltung und ihrem drohenden Gang in die Bedeutungslosigkeit beigetragen hat.

 

Was sind „Meinungsdelikte“?

 

Obwohl es Aschermittwoch war, ging keiner der Redner in Sack und Asche. Bereuen oder Selbstkritik war kein Thema. Dafür wurde aber über die politischen Konkurrenten reichlich Asche ausgestreut. Manches davon, meinte Gerd, würde man durchaus zu Hass und Hetze zählen, wenn es aus einer extremistischen Ecke käme. Dazu passte es, dass Frau Faeser zusammen mit Herrn Haldenwang bei einer Pressekonferenz den Entwurf für ein neues Demokratiefördergesetz vorgestellt hat mit dem Titel: „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen“. Es ist eine Erweiterung des Tatbestandes der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ des Verfassungsschutzes von 2021. Das erinnerte uns an den §220 damals in der DDR, wo eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren dem drohte, der sich öffentlich verächtlich über staatliche Funktionäre oder Institutionen äußerte. Jetzt sagte Haldewang auf der Pressekonferenz, dass auch Erlaubtes staatwohlgefährdend sein könne. Wo ist da eine klare Grenze? Was sind Meinungsdelikte „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“, wie sie schon bei Meldestellen in ein paar Bundesländern denunziert werden können? Ist ein nicht strafbares Delikt denn überhaupt als Delikt zu bezeichnen oder zu behandeln? Gerd findet den Titel Demokratieförderungsgesetz eher als eine Schönfärberei, wenn nicht sogar als eine falsche Bezeichnung. Wie soll es die Demokratie fördern, wenn bei einem streitbaren Meinungsaustausch immer die Sorge dabei ist, ob man nicht gerade ein Meinungsdelikt begangen oder gar den Staat delegitimiert hätte? Oder der Gesprächspartner sich vielleicht gekränkt fühlt und sich bei der nächsten Meldestelle beschwert? Das kann er sogar anonym tun! Wie könnte man ihn dann bei einer falschen Behauptung und einer böswilligen Denunziation zur Rechenschaft ziehen? Ich weiß nicht, wie das ein Westdeutscher sieht, aber als ehemaliger DDR-Bürger klingt es doch sehr nach DDR 2.0. Vielleicht sind wir da gebrannte Kinder und diesbezüglich empfindlicher.


Natürlich dient das alles laut Faeser ausschließlich dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Wie ist das aber mit dem Linksextremismus und dem militanten Islamismus? Wie viele große Demonstrationen gibt es derzeit „gegen rechts“ und wie wenige und viel kleinere Demonstrationen werden gegen die seit dem Gaza-Krieg ansteigende Judenfeindlichkeit und den islamistischen Israelhass durchgeführt? In der Presse wird manchmal geschrieben, dass die Juden sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlten. Es wird aber dabei meist nicht erwähnt, warum das so ist. Das klingt so, als wären die Deutschen wieder die Judenfeinde. Das stimmt aber nicht. Es sind zumeist arabischstämmige Islamisten, die Angriffe auf einzelne Juden unternehmen, wie kürzlich in Berlin. Das müsste auch einmal deutlich gesagt werden!


Die Ausgrenzung der AfD aus Funktionen in Parlamenten und Gremien hat sie eher stärker als schwächer gemacht. Es wird übersehen, dass politische Entwicklungen im Laufe der Jahrzehnte immer von rechts nach links und umgekehrt schwanken. Derzeit haben konservative und rechte Parteien in diversen europäischen Staaten Landgewinne gemacht, in Frankreich, Holland, Finnland, Spanien oder Italien, um nur einige zu nennen. An dieser Stelle schon mehrfach erwähnt, trotzdem noch einmal wiederholt: Es ist falsch, das demokratische Rechts mit faschistisch oder nazistisch gleichzusetzen. Ein Kommentator der Neuen Züricher Zeitung, die manche „unser neues Westfernsehen“ nennen, schrieb am 12. Februar: „Die Gleichsetzung von NSDAP und AfD ist kein Ausdruck von Wachheit, sondern ein Beleg dafür, dass jemand im Geschichtsunterricht geschlafen hat.“ Gerd fand diesen Satz gut. Er erinnerte mich an Filme, wo Ende der Zwanzigerjahre ein Block von braun uniformierten Abgeordneten der NSDAP im Reichstag saß, die gemeinsam aufstanden und den Hitlergruß zeigten und vor den Wahllokalen drohend uniformierte SA-Mitglieder standen oder auf Lastwagen grölend durch die Städte fuhren. Oder wie sich in den großen Städten Straßenschlachten zwischen SA und den Rotfrontkämpfern mit Verletzten und sogar Toten abspielten. „In dem man AfD-Abgeordneten zustehende Posten vorenthält, wie zum Beispiel den des Bundestagsvizepräsidenten, vergibt man sich die Chance, sie an Funktionen scheitern zu sehen“, meint er.

 

Der Radikalenerlass von 1972

 

„Die AfD musste noch nie den Beweis antreten, dass sie eines der von ihr angeprangerten Probleme lösen kann, sondern kann vom Spielfeldrand her den Besserwisser spielen.“ Und dann holte er einen Zettel hervor und zitierte: „Der Ruf nach dem Antifaschismus darf nicht dazu dienen, Antidemokratisches unter dem Mantel des Antifaschismus zu verstecken. Der Mangel an politischer Stärke kann nicht durch juristische Kraftakte ersetzt werden.“ Und fuhr fort: „Ich wette, du kommst nicht drauf, wer diesen so aktuell klingenden Satz schrieb: Unser Bundespräsident Steinmeier! Und zwar als Student 1980 in dem Aufsatz „Bemerkungen zu Art. 139 GG – Eine antifaschistische Grundsatznorm?“ für die Zeitschrift „Demokratie und Recht“. Habe ich vor ein paar Tagen im Internet gefunden. Das war zu einer Zeit, als schon einmal die freie Meinungsäußerung eingeengt wurde, nämlich durch den sogenannten Radikalenerlass von 1972, als Willy Brandt Kanzler war. Man wollte Linke und Kommunisten von öffentlichen Stellen fernhalten. Damals wurden vom Verfassungsschutz rund 3,5 Millionen Personen überprüft! Zum Teil entfernte man sie aus dem öffentlichen Dienst oder ließ sie gar nicht dafür zu. Dem damaligen Maoisten Winfried Kretschmann verweigerte man deshalb eine Lehrerstelle. Heute ist er Ministerpräsident. Beobachtet wurde damals auch Steinmeier, da er für die Zeitschrift „Demokratie und Recht“ des linken und von der DDR finanzierten Verlages Pahl-Rugenstein schrieb. Auch Trittin wurde überwacht und viele andere, die später namhafte Politiker wurden. Wollen wir jetzt wieder solche Gesinnungs-Gesetze? Ich nicht!“

 

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

Seite 10, Kompakt Zeitung Nr. 250, 20. Februar 2024

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